Römer im Schatten der Geschichte
der Mittel- und Unterschicht. Es ist somit durchaus gerechtfertigt, Freigelassene, denen die Freiheit formell zugesprochen wurde, zusammen mit jenen zu behandeln, die informellfreigegeben wurden; beide Gruppen werden also im Folgenden zusammengefasst.
Abb. 14. Treue Sklaven belohnte ein Herr häufig testamentarisch mit der Freilassung; so sicherte er sich auf Lebenszeit ihre Dienste und schädigte nur seine Erben, denen kostbarer Besitz entging: Auf diesem Relief umgeben Trauernde eine Bahre. Unten rechts eine Frau mit der Freiheitskappe.
Wie oben erwähnt, ließ sich das kulturelle, soziale und ökonomische Leitbild der Oberschicht nur aufrechterhalten, wenn fähigen, vertrauenswürdigen Sklaven Aufsichts- und Verwaltungsaufgaben übertragen wurden. Zwar wurden auch Freie als Arbeitskräfte verpflichtet, wenn bei einem zeitlich begrenzten Projekt Hilfe nötig war, doch gibt es kaum Belege dafür, dass man Freien die Aufsichtstätigkeit zuwies, die ein Sklave oder Freigelassener übernehmen konnte, und ausgeschlossen war eine Funktion als Geschäftsvertreter. Das Musterbeispiel eines verlässlichen Freigelassenen ist Ciceros unentbehrlicher Tiro, der zuvor sein Sklave war. In Petrons Roman ist Lichas von Tarent ein vermögender Kaufmann im Kreis der lokalen Elite, der Schiffe und Landgüter besitzt und eine beträchtliche Anzahl von Sklaven damit betraut hat, seine Geschäfte abzuwickeln. Solche Sklaven konnten irgendwann mit der Freilassung rechnen. Die Rechtsspezialisten Ulpian und Gaius stellen zweifelsfrei klar, dass Frauen ebenso wie Männer von ihren Herren als Vertreter eingesetzt werden konnten. Der Weg zur Freiheit war also mit erlernten Fähigkeiten gepflastert. Und in der Tat erhalten einige Freigelassene die Freiheit, nachdem sie als Zeugen oder Gehilfen an Giftmorden, anderen Mordtaten oder Verbrechen ihres Herrn beteiligt waren. Der Historiker Dionysios von Halikarnassos schreibt von Freigelassenen, »die als Vertraute und Komplizen ihrer Herren bei Giftmorden später von ihnen zur Belohnung ihre Freiheit erhielten« (
Antiquitates Romanae
–
Geschichte Roms
4,24). Unmoralisches Verhalten dieser Art kann nicht überraschen; Freigelassene dienten ihren früheren Herren, und wenn diese in ruchlose Aktivitäten verwickelt waren, ist dasselbe auch von den Freigelassenen anzunehmen.
Nützlich waren Sklaven auch für konventionellere Besitzer. Im Folgenden hat ein Herr einen Sklaven freigelassen und ihm zu einer Geschäftstätigkeit für Gravuren in Gold und Silber verholfen:
Er sagte in seinem Leben niemand etwas Böses nach, ohne den Willen seines Patrons tat er nichts, bei ihm lag immer eine Menge Gold und Silber, aber nie begehrte er davon etwas. (
CIL
VI 9222 =
ILS
7695, Rom/Geist, Grabinschriften, Nr. 189)
Dem Herrn als Sklave von Nutzen gewesen zu sein ist für die Freilassung von entscheidender Bedeutung. Es ist durchaus denkbar, dass ein Besitzer einen Sklaven aus Freundlichkeit und Rücksicht freilässt, weil dieser gute Arbeit geleistet hat, oder um sich als großzügiger Herr zu erweisen, oder um von einem Sklaven, der sich freikauft, zu profitieren, oder auch einfach, um einen Ballast loszuwerden, für dessen Unterhalt er nicht länger Geld ausgeben will. Am zweckmäßigsten war jedoch der folgende Weg: Man wählte einen jungen Sklaven aus, der besonders talentiert und verantwortungsbewusst, und vielleicht, wie im Fall des Trimalchio, auch sexuell attraktiv war, übertrug ihm Pflichten und beförderte ihn dann ins Management eines Bereichs der eigenen Geschäftsunternehmen; dann ließ man den Sklaven frei und profitierte weiter von seinen Diensten als Freigelassener und hatte somit weiteren ökonomischen Gewinn, ohne jedoch länger für die Versorgung eines Sklaven aufkommen zu müssen.
Damit ist ein lange bekanntes Merkmal der Freigelassenen angesprochen: Freigelassene sind in großer Zahl und verschiedener Funktion im Geschäftsleben tätig, was nicht nur auf Inschriften bezeugt ist, sondern auch aus Berichten der Elite sowie aus Romanen und Dokumenten hervorgeht. Das lag daran, dass die Möglichkeiten, Kapital für neue Unternehmen aufzunehmen, in der griechisch-römischen Welt eng begrenzt waren. Wegen des relativ unterentwickelten Banken- und Finanzwesens war es für den gewöhnlicher Römer schwierig, Startkapital zu annehmbaren Bedingungen zu leihen. Stufenweises, also ein direkt aus den Gewinnen finanziertes Wachstum war möglich, wurde aber durch die geringen Margen
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