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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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zeigt: Der Statthalter von Ägypten teilt einem Freigelassenen mit, er werde ausgepeitscht, falls dem Statthalter weitere Beschwerden des Patron über ihn zu Ohren kämen (
P. Oxy.
IV 706). Kurz, die Patrone nutzten oft jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel, sei es illegal oder legal, um Freigelassene unter Druck zu setzen – wie Artemidor von den Sklaven schreibt: »Viele wurden zwar freigelassen, mußten aber weiter Sklavenarbeit leisten und blieben untergeordnet« (
Traumbuch
, 2,31).
    Weil die Freigelassenen in den Schriften der Elite sowie in Rechtstexten so prominent vertreten sind, könnte man annehmen, dass sie sehr zahlreich waren. Aber wer genau ist eigentlich als Freigelassener zu bezeichnen? Die Identität dieser Gruppe zu bestimmen erweist sich als äußerst schwierig. Sicher gibt es einige, die sich selbst als solche bezeichnen – die den Status auf ihren Grabsteinen anzeigen –, sowie auch eine Reihe von literarischen Beispielen, darunter als bekanntestes die Akteure von Trimalchios Gastmahl in Petrons
Satyrica
. Doch die Historiker, wie so oft im Schlepptau der Elite, griffen jede Erwähnung von Freigelassenen auf und kamen auf hohe Zahlen. Das methodische Vorgehen besteht darin, dass eine bestimmte Gruppe von Namen, meist griechischen Ursprungs, und der Status des Freigelassenen, wie er in Inschriften ausdrücklich bezeugt ist, miteinander in Beziehung gesetzt werden. Ausgehend davon, dass die meisten, wenn nicht alle Personen mit solchen Namen Freigelassene seien, werden aus dieser plausiblen Beziehung dann allgemeine Behauptungen abgeleitet, denen demographische Statistiken folgen. Auch ohne in statistische Details zu gehen, kann man feststellen, dass dieses Vorgehen höchst zweifelhaft ist. Es gibt nämlich einerseitsviele freigeborene Personen mit »typischen« Freigelassenen-Namen sowie andererseits als solche bezeichnete Freigelassene mit Namen, die nicht auf dieser Liste stehen. Ob jemand ein Freigelassener ist, lässt sich mit Sicherheit nur dann sagen, wenn er selbst sich so bezeichnet – normalerweise in Form der Wendung »Freigelassener des X«, um anzuzeigen, dass er von einem bestimmten Besitzer freigegeben wurde.
    Die Schwierigkeit wird dadurch nicht geringer, dass »Freigelassener« keine Kategorie für die Straße war. Will sagen, man ging gewöhnlich nicht herum und wies sich als Freigelassener aus. Offenbar wurde man von anderen auch nicht als solcher identifiziert, während Sklaven leicht zu erkennen waren. Das Neue Testament zum Beispiel enthält einen möglichen Verweis auf Personen, die Freigelassene sind (allerdings wird der Zustand des »Befreiten« als Metapher für die Beschreibung der Anhänger Christi verwendet). Behauptungen, dass etwa Lydia, die Purpurkrämerin, in der Apostelgeschichte (16) eine Freigelassene war oder Paulus der Sohn oder Enkel eines Freigelassenen, finden in den Texten selbst keine Bestätigung. Im
Goldenen Esel
kommt in einer Episode (10,17) eine Person vor, die als Freigelassener erkennbar ist, und ich weiß von keiner Erwähnung in den griechischen Romanen. In den Papyri sind als Freigelassene bezeichnete Personen selten; dasselbe gilt für Artemidors
Traumbuch
. Hier gibt es nur einen Verweis darauf, ob der Träumende eine Freigelassene heiraten wird, doch er bleibt die Ausnahme. Anders als zahlreiche soziale Klassen wie etwa Frauen und Sklaven wird der »Freigelassene« in den Träumen nicht mit stereotypen Merkmalen in Verbindung gebracht – so wird keine Beziehung etwa zwischen Arroganz oder Undank und Freigelassenen hergestellt; sie sind nicht mit bestimmten Bedeutungen verknüpft. Vorausgesetzt, dass Artemidor Deutungen zusammenstellte, die seinem eigenen Dossier ausgelegter Träume entnommen waren, muss man daraus schließen, dass in den Träumen seiner Kunden kein Freigelassener auftauchte und dass überdies die in den Schriften der Elite bezeichneten Eigenschaften Freigelassener für Träume ohne Bedeutung waren. Dazu könnte allerdings beigetragen haben, dass Artemidor für ein Publikum im griechischen Osten schrieb, wo Freigelassene weit seltener waren als in Italien. Ergänzt man das übrige Material um das Zeugnis der Träume, so wird deutlich, dass am »Freigelassenen« als einer Schlüsselkategorie allgemein kein sonderliches Interesse bestand.
    Diese Gleichgültigkeit steht in schärfstem Kontrast zu dem Gefühl errungener Bedeutung, das ein Ex-Sklave verspürte, wenn er die Freiheit gewann. Darauf deutet hin, dass

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