Römer im Schatten der Geschichte
vielleicht sogar so weit, dass sie von einem Herrn vor Gericht gezerrt wurden, der die ihm geschuldeten
operae
einklagte. Diese Freigelassenenbleiben natürlich anonym. Belegt ist aber der Zorn eines Patrons über einen undankbaren Freigelassenen:
Marcus Aemilius Artema machte dieses Grabmal für Marcus Licinius Sucessus, seinen sehr verdienstvollen Bruder, und für Caecilia Modesta, seine Frau, und für sich selbst und für seine Freigelassenen und ihre Nachkommen, AUSGENOMMEN den Freigelassenen Hermes, dem ich wegen seines Unrechts gegen mich jeden Eingang und Zugang zu diesem Grabmal und jedes Näherkommen verbiete. (
CIL
VI 11 027, Rom)
In Rechtsquellen sind Beispiele für solches »Unrecht« aufgeführt, das Freigelassene ihren Patronen antaten: mangelnde Erfüllung von Pflichten gegenüber dem früheren Herrn, unverschämtes Betragen, körperliche Angriffe, Verbreitung bösartiger Gerüchte, Anstiftung zu gerichtlicher Klage gegen ihn oder öffentliche Anklage gegen ihn vor Gericht.
Die Lebensumstände waren unterschiedlich, je nachdem, ob der Freigelassene im Haus des Patrons verblieb oder einen eigenen Haushalt und Geschäftssitz gründete. Unter den gewohnten Umständen erhielt der freigelassenen Sklave zwar weiterhin Kost und Logis, doch fehlte die Handlungsfreiheit, die das selbständige Leben mit sich brachte. Andererseits konnte die Entlassung aus dem Haushalt des früheren Herrn viel weniger erfreulich sein als erhofft. Epiktet, selber ein Freigelassener, spricht philosophisch nicht wenig pikant von der Möglichkeit, dass die Welt, der ein befreiter Sklave sich ausgesetzt sehe, weitaus unleidlicher sei als die des Sklaven, die er hinter sich ließ. Ich habe die betreffende Stelle im 4. Kapitel vollständig zitiert (
Epiktets Gespräche,
4,1,34 – 37).
Es fällt auf, dient aber vielleicht nur literarischen Absichten, dass bei fast allen Freigelassenen in der Episode von »Trimalchios Gastmahl« nicht zu erkennen ist, ob sie von ihrem Herrn abhängig oder unabhängig sind. Die Patrone kommen nämlich nicht vor – vielleicht nur, um die Freigelassenen selbst in den Vordergrund zu rücken und nicht, weil sie in ihrem Leben tatsächlich keine Rolle spielten. Jedenfalls aber gab es Freigelassene, die keinen Patron hatten. Diese Ex-Sklaven agierten ohne die Unterstützung, aber auch ohne die Einmischung eines Patrons.
Gelegentlich standen Freigelassene in enger Beziehung zueinander, wie das Beispiel des Aulus Memmius Clarus zeigt, dessen Grab ein Mitfreigelassener stiftete:
Daß zwischen mir und dir, mein liebster Mitfreigelassener, nie ein Streit geherrscht, dessen bin ich mir bewußt. Auch auf diesem Grabstein rufe ich die ober- und unterirdischen Götter zu Zeugen auf, daß ich gleichzeitig mit dir beim Sklavenverkauf zusammengekommen bin, zusammen aus dem Hause entlassen wurde, und kein Tag hätte uns je getrennt außer diesem deinem Schicksalstag. (
CIL
VI 22 355a =
ILS
8432, Rom/Geist, Grabinschriften, Nr. 106)
Neben Freundschaften gab es natürlich auch Konkurrenzbeziehungen. Die Grabinschriften Freigelassener bezeugen einen Wettbewerb um Anerkennung. Allein ihre Häufigkeit, verknüpft mit der Hervorhebung von Erfolg in Familie und Geschäften, die dem Freigelassenen am Herzen lagen, legt davon Zeugnis ab. Rivalitäten dieser Art sind im Kontext einer Kultur der Ehre an der Tagesordnung. Es scheint jedoch, als seien die Freigelassenen trotz Konkurrenzdenkens in der Regel eng miteinander verbunden gewesen. Gelegentlich bildeten Freigelassene eigene Kollegien, die aber offenbar Einzelerscheinungen blieben; in der Epigraphik sind nur wenige derartige Gruppen belegt. Da normale Freigelassene weder auffällig stigmatisiert noch beeinträchtigt waren, ist zu erwarten, dass sie nicht nur mit anderen Freigelassenen, sondern auch mit Freien engere Verbindungen eingingen. Weit häufiger als Vereine von Freigelassenen waren also solche gemischter Art – sehr oft von Freien mit Freigelassenen, auch unter Einschluss von Sklaven. Manchmal stehen Freie, dann wieder Freigelassene an der Spitze. Hinweise auf die Diskriminierung Freigelassener fehlen; es gibt kein »Freigelassenen-Milieu«. Freigelassene hatten auch Umgang mit Sklaven, der sich über die Vereine hinaus auf andere Unternehmungen erstreckte, wie an einem den Laren des Augustus geweihten Altar zu sehen ist:
Als Gaius Caesar, Sohn des Augustus, und Lucius Paullus Konsuln waren, errichteten diese Kultbeamten den Laren des
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