Römischer Lorbeer
muß. ›Was wurde ihr Grausames
angetan?‹ fragt ihr. Aber nein, ich werde mich der
Wiedergabe aller schmutzigen Einzelheiten diesesjüngsten,
beinahe erfolgreichen Mordanschlags gegen sie enthalten. Da die
Götter gewillt waren, sie vor Caelius’ mörderischen
Intrigen zu bewahren, soll sie ihre Geschichte selbst
erzählen. Ich bete zu den Göttern, daß sie
kräftig genug sein wird, den Zeugenstand zu
betreten!«
Was diese letzte
Schandtat anging, würden die Richter auch die schriftliche
Aussage jener verräterischen Sklavin hören, die Caelius
dazu verführt habe, ihre Herrin zu vergiften. Ihre Aussage
würde in diesem Moment zu Protokoll genommen, unter der Folter
versteht sich, wie es das Gesetz verlangte.
Ein dritter
Überraschungszeuge würde all das bestätigen
können. Herennius warf den gegenüber Sitzenden ein
kühles Lächeln zu. »Ich kann mir vorstellen,
daß die Aussage dieses Mannes von besonderem Interesse
für die Verteidigung sein wird. Der geschätzte
Marcus Cicero selbst hat diesen Zeugen einmal den
»ehrlichsten Mann in Rom« genannt. Warte, bis du
gehört hast, was dieser Mann uns über die vereitelten
Giftanschläge auf die Dame berichten kann, Cicero! Ich frage
mich, was du dann über den gemeinen Mörder zu sagen hast,
der jetzt neben dir sitzt!«
Die Strategie des
Herennius, die Enthüllung des Mordversuchs nicht in seinem
Plädoyer abzuhandeln, sondern sie seiner Zeugin zu
überlassen, war ebenso schlau wie riskant. Der Vorteil war das
Mitleid, das das Opfer eines Giftanschlags, noch dazu eine Frau,
bei den Zuhörern wecken würde; es würde für die
Verteidigung nicht leicht werden, alle Überraschungen, die
eine solche Aussage mit sich bringen konnte, vorauszuahnen und zu
neutralisieren. Und wer, fragte ich mich, war dieser vermeintlich
»ehrlichste Mann in Rom«. Ich blickte zu Cicero, um
seine Reaktion zu beobachten, und bemerkte überrascht,
daß er mich seinerseits ansah.
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»Ich glaube
keinen Moment, daß er sie vergiftet hat«, sagte
Bethesda, »genauso wenig wie ich glaube, daß er den
Ägypter getötet hat.«
Nach drei langen Reden
hatte sich das Gericht schon am frühen Nachmittag vertagt,
damit die Anwälte der Verteidigung ihre Entgegnung am
nächsten Tag zusammenhängend vortragen konnten. Bethesda
und ich begaben uns sofort nach Hause, wo sie sich daran machte,
sich für Clodias Fest vorzubereiten, obwohl es bis zum Abend
noch viel Zeit war.
»Aber Clodia
beharrt darauf, daß er es getan hat.«
»Sie irrt
sich.« Bethesda runzelte die Stirn, als sie in den polierten
Spiegel sah, den sie in der Hand hielt. »Diese Halskette
tut’s im Leben nicht. Reich mir doch bitte mal die silberne
her.«
»Beides kann
nicht stimmen«, sagte ich. »Einer von beiden lügt. Was
für ein Pech, daß du dich zwischen Clodia und Caelius
entscheiden mußt. Für niemanden eine leichte
Wahl!«
»Im Augenblick
versuche ich, mich für eine Halskette zu entscheiden«,
sagte sie. »Die silberne, bitte.«
Ich suchte auf ihrem
Schminktisch nach der silbernen Kette und verlor mich zwischen
Tonkrügen mit Salben und kleinen Glasfläschchen mit
Parfüm. Mein Blick fiel auf etwas leuchtend Rotes. »Was
ist denn das?«
Ich nahm die kleine
Tonfigur des Attis zur Hand, die denen von Lucceius’ Frau und
Clodia bis zum Verwechseln ähnlich sah. Der Eunuch stand, die
Hände auf seinem fetten Bauch verschränkt und eine
leuchtend rote, phrygische Mütze auf dem Kopf, lächelnd
da. Bethesda sah mich im Spiegel und sagte: »Das solltest du
lieber nicht anfassen.«
»Wo kommt es
her?«
»Es wurde heute
gebracht, während wir beim Prozeß
waren.«
»Ich habe
gefragt, wo es herkommt, nicht seit wann es hier
ist.«
»Es ist ein
Geschenk.«
»Von
wem?«
»Was denkst du
wohl?« Bethesda nahm mir die Statue ab, stellte sie wieder
auf den Schminktisch, ergriff die silberne Kette und nahm den
Spiegel zur Hand. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Geh und
sag Diana, daß sie mir beim Ankleiden helfen
soll.«
*
Wir trafen im letzten
Licht der Dämmerung bei Clodia ein, wenn die harten Kanten der
Welt weicher werden und verschwimmen wie die Gedanken eines
schläfrigen Mannes. Aber wenn die Welt auch vor sich hin
dämmern mochte, die Gäste in Clodias Haus waren hellwach.
Der erleuchtete Speisesaal mit Blick in den Garten summte von Musik
und Gesprächen. Als wir eintrafen, wiesen Sklaven den
Gästen gerade ihre Plätze auf den Speisesofas zu. Es war
eine eigenartige Mischung aus makellos gewandeten
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