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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Patriziern,
leicht verwahrlosten jungen Dichtern, radikalen Politikern,
alternden Kurtisanen, exotisch aussehenden Ausländern und
sogar einigen Galloi. Die Luft war schwer von jener weltmüden
Blasiertheit, die in Rom heutzutage als Stil
vorherrscht.
    Bethesda klammerte
sich an meinen Arm. In ihrem Gesicht sah ich einen Ausdruck, der
mir derart unvertraut war, daß ich einen Moment brauchte, um
ihn zu deuten: Panik. »Was tun wir hier?«
flüsterte sie.
    »Wir sind zu
Gast auf einer offenbar sehr schicken Feier mit einigen sehr
modischen Menschen.«
    »Warum?«
    »Ich meine mich
zu erinnern, daß du darauf bestanden hast, daß wir
herkommen«, erwiderte ich trocken.
    »Ich muß
von Sinnen gewesen sein. Bring mich sofort nach
Hause.«
    »Aber wir haben
doch noch gar nicht gegessen.« Die Düfte, die aus der
Küche wehten, ließen mir das Wasser im Munde
zusammenlaufen. »Wir haben noch nicht einmal unsere
Gastgeberin begrüßt.«
    »Deswegen
sollten wir auf der Stelle gehen. Dann ist es so, als wären
wir nie hier gewesen.«
    »Bethesda

    »Das ist absurd.
Schau mich nur an.«
    Ich machte einen
Schritt zurück und tat genau das. »Ja? Ich sehe eine
schöne Frau, makellos gewandet und geschminkt. Sie sieht aus
wie sonst keine hier.«
    »Genau! Jeder
erkennt, daß ich nicht hierher gehöre.«
    »Warum?«
    »Ich bin nicht
einmal Römerin.«
    »Natürlich
bist du das. Du bist meine Frau.«
    »Wir sind nicht
reich.«
    »Bei dem
Schmuck, den du trägst, könnte man das aber sehr wohl
annehmen.«
    »Mein
Akzent!«
    »Verleiht dir
eine geheimnisvolle Aura.«
    »Ich bin die
älteste Frau hier.«
    »Du bist die
schönste Frau hier.«
    »Da hat er
unbedingt recht.« Ich drehte mich um und bemerkte Catull, der
einen Becher Wein hochhielt und müde lächelte.
»Gratidianus, ich hatte nicht erwartet, dich hier zu
treffen.«
    »Clodia hat uns
eingeladen«, sagte Bethesda ein wenig zu
nachdrücklich.
    »Mich hat sie
auch eingeladen, könnt ihr das glauben?« erwiderte
Catull. »Bestimmt wider ihr besseres Wissen oder zumindest
das ihres Bruders. Aber er ist nicht da - er ist mit der
Organisation der morgigen Feierlichkeiten betraut -, und ich bin
hier, also zum Hades mit ihm! Nichts soll meine triumphale
Rückkehr in die Gesellschaft des Palatin stören! Was
für ein Haufen von Blutsaugern, Lüstlingen und
Versagern.« Catull ließ den Blick mit einem zynischen
Lächeln über die Menge wandern. »Welch bizarre
Menagerie Clodia hier versammelt hat: die schlechtesten Dichter und
betrügerischsten Politiker Roms; bankrotte Adelige und
obszön reiche Ex-Sklaven; schöne Jüngelchen und
reizlose Dirnen! Sagte ich reizlos? So häßlich,
daß ein Mann versteinern könnte - pardon, keinerlei
pornographische Andeutung beabsichtigt. Und hier vor mir steht der
ehrlichste Mann Roms in Begleitung -« Er machte eine Pause,
und seine Miene wurde ein wenig ernster. »Genau wie du gesagt
hast, Gordianus: in Begleitung der schönsten Frau des
Abends.«   
    »Meine
Frau«, sagte ich. »Und dies, Bethesda, ist Gaius
Valerius Catull, eben zurückgekehrt von seinen staatlichen
Diensten in Bithynien.«
    Bethesda nickte
wissend. »Der Dichter«, sagte sie.
    Er zog eine Braue
hoch. »Bin ich schon so berühmt? Oder hast du hinter
meinem Rücken über mich getratscht,
Gordianus?«
    »Ich
nicht«, sagte ich, während ich versuchte, Bethesdas
kryptisches Lächeln zu deuten, und mich fragte, was Clodia ihr
bei ihrer ersten und bisher einzigen Begegnung sonst noch über
Catull erzählt hatte. Zumindest begann sich Bethesda offenbar
ein wenig wohler zu fühlen, worüber ich froh
war.    
    Ein Sklave führte
uns zu unseren Plätzen. Die Sofas waren U-förmig um
Tische gruppiert, wobei jeweils zwei Personen auf einem Sofa Platz
nahmen, so daß genug Raum zum Sitzen oder Liegen blieb. Wie
sich herausstellte, war Catull auf dem Sofa zu meiner Rechten
plaziert worden, das er für den Augenblick offenbar mit
niemandem teilte. Hatte Clodia uns absichtlich zusammengruppiert,
oder waren wir einfach die letzten Gäste, die sie eingeladen
hatte? Unsere Sofagruppe stand in einer Ecke des Saals, am
weitesten von unserer Gastgeberin entfernt, was mir nur recht sein
konnte, weil Bethesda sich so unbeobachteter und weniger
auffällig fühlen würde. Catull hingegen war
keineswegs begeistert. »Zurück in die bithynische
Verbannung«, hörte ich ihn knurren. 
    Das Sofa neben
Bethesda wurde einem Senator namens Fufius zugewiesen, dem Mann,
den Caelius laut Atratinus

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