Römischer Lorbeer
miesen Charakter eines Marcus
Caelius.
Clodius fuhr fort,
jeden Angriff anschaulich zu schildern, grausige Einzelheiten ans
Licht zu ziehen und die Schatten der ungerächten Toten
heraufzubeschwören.
Warum, fragte er, habe
Marcus Caelius diese Gewalttaten begangen? Der Grund sei
offensichtlich: aus finanziellem Gewinnstreben. Ein Mann wie Marcus
Caelius, der aus einer bescheidenen, aber ehrbaren Familie stammte,
konnte den hohen Lebensstandard, für den er berüchtigt
war, kaum finanzieren, ohne sich massiv zu verschulden. Zeugen
würden seine rücksichtslose Verschwendung
bestätigen. Wenn Caelius die Aussagen dieser Zeugen in Zweifel
ziehen wollte, sollte er dem Gericht seine privaten Bücher
offenlegen. War er dazu bereit? Und wenn nicht, warum nicht? Weil,
so behauptete Clodius, diese Bücher auch die Zahlungen
offenbaren würden, die Caelius für die Organisation der
Terror-Kampagne gegen die alexandrinischen Gesandten erhalten
hatte. Um seine widerwärtigen Gelüste zu finanzieren,
hätte Caelius den guten Namen des ganzen römischen Volkes
verkauft. Clodius’ Empörung kam zu einem angemessen
donnernden Höhepunkt, der die Menge begeistert mit den
Füßen trampeln ließ. Er kehrte auf die Bank
zurück und wischte sich wie ein Faustkämpfer den
Schweiß von der Stirn.
Ich sah Bethesda an
und zog eine Braue hoch. »Und?«
»Jeder
weiß, daß Freigelassene sich besonders
anstrengen«, meinte sie. »Aber das ganze Gepolter und
Gefuchtel mit den Armen macht mich bloß
nervös.«
»Mir ist
aufgefallen, daß du ganz zappelig warst. Hast du Angst um
deinen kostbaren Marcus Caelius?«
»›Besser
viel wissen als viel reden‹«, erwiderte sie. Ich
sah sie
verblüfft an, wie ich es immer tue, wenn sie unerwartet ein
altes römisches Sprichwort zitiert. Es ist nur natürlich,
daß sie solche Dinge von mir oder bei Gerichtsverhandlungen
aufschnappt, aber sie sie mit ägyptischem Akzent wiederholen
zu hören, ist trotzdem irgendwie irritierend. »Und
bisher«, fuhr sie fort, »haben sie weder etwas
über Dios Tod noch über die Giftanschläge auf Clodia
gesagt.«
»Ich nehme an,
das kommt als nächstes.«
Lucius Herennius
Baibus bestieg die Rostra, um die Plädoyers der Anklage
abzuschließen. Wenn Atratinus die empörte Jugend
dargestellt hatte, so präsentierte sich Herennius als der
strenge, mahnende Onkel, der Caelius’ Charakter aus der Sicht
eines älteren und weiseren, aber keineswegs weniger
empörten Mannes geißelte. Er eröffnete und beendete
seine Rede mit dem Herunterbeten von Caelius’ Lastern.
Dazwischen befaßte er sich mit Dios Tod und dem Anschlag auf
das Leben einer gewissen römischen Dame, die das Pech hatte,
mehr über Caelius’ Verbrechen zu wissen, als ihrer
Gesundheit zuträglich war.
Diese Dame,
erklärte Herennius, würde über ein Darlehen
aussagen, daß sie Caelius gewährt hatte, weil jener
angeblich zur Förderung seiner politischen Karriere in seiner
Heimatstadt Spiele veranstalten mußte - die in Wahrheit
jedoch nie stattgefunden hatten. Das Geld, das er sich von ihr
geliehen hatte, sei vielmehr dazu benutzt worden, Sklaven im Haus
des Lucius Lucceius zu bestechen, die einen Giftanschlag auf Dio
unternahmen, um die ohnehin dezimierte alexandrinische
Gesandtschaft endgültig zu vernichten, indem man ihren
Anführer beseitigte. Dieser Plan war jedoch gescheitert; Dio
war, durch den Anschlag alarmiert, in ein anderes Haus geflohen, wo
er schließlich sein trauriges Ende fand. Durch wessen Hand,
sei allen vor diesem Gericht Versammelten bekannt: durch die Hand
des Publius Asicius. Daß er bei seinem eigenen Prozeß
freigesprochen worden war, täte nichts zur Sache; es sei
allgemein bekannt, daß Anklage und Verteidigung sich
verschworen hätten, den Fall zu Asicius’ Gunsten zu
wenden.
Caelius und Asicius,
Partner schon in so vielen anderen Fällen, hätten sich
auch bei dieser Schandtat zusammengetan -Zeugen würden
bestätigen, daß beide am Mordabend in unmittelbarer
Nähe des Hauses, in dem Dio sich aufhielt, gesehen worden
waren. Wie Äste eines Baumes, die man abhackt, wären die
Mitglieder der alexandrinischen Gesandtschaft einer nach dem
anderen getötet worden, bis zuletzt nur noch der Stamm
übriggeblieben war. Doch Caelius wäre erst zufrieden
gewesen, als er auch diesen gefällt hatte.
An dieser Stelle hob
Herennius zu einem Loblied auf Dio an, indem er seine zahlreichen
Verdienste aufzählte und die Männer nannte, die ihm in
den Tagen seiner Verzweiflung mutig
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