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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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kann. Aber ich kann mir
ausmalen, was er vielleicht sagen würde.«
    Cicero setzte ein
affektiertes Lächeln auf und begann hektisch mit den Armen zu
rudern, während die Menge vor Vergnügen kreischte.
»Was machst du für einen Wirbel, Schwester - was regst
du dich so auf? Was machst du mit deinem Gezeter aus einer
Mücke einen Elefanten? Du hast auf einen netten jungen Mann
aus der Nachbarschaft ein Auge geworfen, seine schlanke Gestalt,
sein Gesicht und sein Blick haben es dir angetan. Du wolltest mehr
von ihm sehen - jeden Zoll von ihm! Du, eine Frau aus reichem
Hause, suchtest ihn, den Sohn eines knauserigen Vaters, mit deinen
Geldmitteln an dich zu fesseln.
    Aber, Schwester, es
kam nicht so, wie du es wolltest, nicht wahr? Es gibt junge
Männer, die nichts auf die Gesellschaft einer älteren,
besitzergreifenden Frau geben, egal, wieviel Geld sie hat. Also
such dir einen anderen. Du hast deine Gartenanlage am Tiber mit
Bedacht dort angelegt, wohin alle jungen Leute zum Baden kommen. Du
hast tagtäglich Gelegenheit, dir einen auszusuchen. Warum
hängst du dich gerade an den einen, der dich nicht
will?«
    Cicero ließ die
affektierte Rolle des Clodius fallen und wandte Clodia den
Rücken zu. Er schritt über den freien Platz auf die
Verteidigerbank zu. »Und nun komme ich wieder zu dir, Marcus
Caelius, und übernehme die Rolle einer strengen
väterlichen Respektsperson.« Er drohte mit dem Finger,
und Caelius setzte die Miene eines aufmerksamen Schuljungen auf,
die Augenbrauen hochgezogen, das Abbild reiner Unschuld.
»Doch ich überlege noch, welche Vaterfigur ich
wählen soll? Einen dieser alten Väter mit einem Herzen
aus Eisen, der dir für alles die Schuld geben und dich fragen
würde: ›Warum begabst du dich in Reichweite dieser
Dirne? Warum hattest du nicht den Verstand, noch im selben Moment
Reißaus zu nehmen, in der du ihrer ansichtig wurdest!«
Diesem grämlichen, starrsinnigen Alten würde Caelius wohl
antworten, daß nichts Unschickliches vorgefallen sei, was
immer Gerüchte auch behaupten mögen. Doch wie viele gibt
es, die dem Gerede entgehen können, in dieser
schmähsüchtigen Stadt? Da wundert es dich, daß man
dem Nachbarn und Bekannten dieser Frau Übles nachredete, deren
eigener Bruder nicht einmal böswilligem Klatsch entgehen
konnte.
    Über die besagte
Dame will ich hier nichts weiter sagen. Mir geht es um die
Belehrung von Marcus Caelius. Aber stellen wir uns eine andere Frau
vor; seid versichert, jede Ähnlichkeit mit Clodia wäre
rein zufällig. Eine Frau, die sich schamlos mit jedermann
einläßt, die sich ganz offen einen Liebhaber
auswählt, in deren Gärten, in deren Hause, in deren Villa
in Baiae jeder Lebemann freien Zutritt hat. Und die auch junge
Männer durchfüttert und sie mit verschwenderischem
Aufwand entschädigt. Wenn diese Dame als Witwe freizügig,
als lockeres Frauenzimmer frivol, als reiche Frau verschwenderisch
und als zügellose Person nach Art einer Dirne lebte - soll ich
da jemanden für einen Ehebrecher halten, der sie ein wenig zu
intim gegrüßt hat?
    So weit geht die
Hemmungslosigkeit dieser Frauensperson, daß sie keineswegs
die Abgeschiedenheit und Dunkelheit, also das übliche Versteck
der Unkeuschheit, sucht, nein, sie errichtet in ihrem Garten eine
Bühne, um ihre besonderen Talente einem Publikum
vorzuführen, das Schlange steht, sie zu genießen! Lacht
nicht, ich will hier nur einen Sachverhalt erörtern, ich mache
keine bestimmte Frau namhaft - das lasse ich auf sich beruhen. Aber
alles an dieser hypothetischen Frau ist eine Einladung zur Unzucht:
nicht nur die Art, wie sie einhergeht, ihre durchscheinenden
Gewänder, ihr liederlicher Schmollmund, die feurigen Blicke,
die losen Reden, sondern auch ihre Umarmungen und gierigen
Küsse. Sie beträgt sich so, daß sie ganz offen als
Dirne, ja als besonders lüsterne, verworfene alte Hure
erscheint. Wenn sich nun aber ein junger Mann mit dieser Person
einläßt, ist er ein Ehebrecher oder Schwerenöter,
wollte er die Keuschheit mit Füßen treten oder nur seine
Lust befriedigen?
    Die Frau ist
schließlich eine Hure - die hypothetische Frau, meine ich und
wer nun aber der Meinung ist, der Umgang mit Dirnen sei jungen
Männern untersagt, der ist in der Tat höchst
sittenstreng. Aber er entfernt sich damit nicht nur von den
großzügigen Moralvorstellungen unserer Zeit, sondern
auch von dem, was bei unseren Vorfahren normal und gestattet war.
Wann war das nicht allgemein üblich, wann gab es dafür
Tadel, wann

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