Römischer Lorbeer
Aber
ich glaube kaum, daß wir etwas auch nur ansatzweise
Verläßliches hören oder jemanden im Zeugenstand
sehen werden, der auch nur entfernt glaubwürdig wäre. Ihr
Richter wißt selber, was für Gesindel sich an jedem
beliebigen Tag auf dem Forum herumtreibt. Wie viele sind darunter,
die unter Eid bereitwillig beinahe alles bezeugen würden,
solange man sie dafür bezahlt? Wenn die Anklage jedoch darauf
besteht, gekaufte Schauspieler in diesem Prozeß auftreten zu
lassen, vertraue ich darauf, daß ihr, meine Herren, das mit
eurer Erfahrung und Urteilskraft und eurem gesunden
Menschenverstand durchschauen werdet.«
Bildete ich mir das
nur ein, oder sah Cicero mich direkt an? Soviel zu dem
Überraschungszeugen, den Herennius versprochen hatte, der
Mann, dessen Ehrlichkeit sogar Cicero Respekt abnötigte! Mit
einer einzigen abfälligen Bemerkung war ich als jemand
abgestempelt, der gegen Geld einen Meineid leisten würde.
Allerdings war der Angriff völlig unnötig gewesen, da ich
mich ohnehin schon geweigert hatte, als Clodias
Überraschungszeuge aufzutreten. Aber zu dem Zeitpunkt hatte
ich auch noch Grund zu der Annahme gehabt, daß sie sich
›das Haar der Gorgonen« von Bethesda geliehen hatte,
um mich zu täuschen. Nun hatte es ganz den Eindruck, als
wäre sie wirklich vergiftet worden. Ich betrachtete ihr
Gesicht und bemerkte, wie teilnahmslos sie wirkte. War sie also
doch in Todesgefahr gewesen?
»Ich für
meinen Teil«, fuhr Cicero fort, »habe jedenfalls nicht
die Absicht, euch mit irgendwelchen Zeugen zu behelligen. Was ist
das für eine Wahrheit, die in das Belieben von Zeugen gestellt
wird, die sich nur allzu leicht beeinflussen, ohne Schwierigkeit
hierhin und dorthin lenken oder ganz offen kaufen lassen. Mit
Argumenten wollen wir vorgehen und die Beschuldigungen mit Beweisen
widerlegen, die mehr als sonnenklar sind, Lügen mit Tatsachen
beantworten und alles offenlegen, auf daß ein jeder
Beweisführung und Beweggrund einer streng logischen
Prüfung unterziehen kann.
Daher lasse ich mir
gern gefallen, daß Marcus Crassus in ebenso gewichtiger wie
kunstreicher Art über Caelius’ Rolle bei den Unruhen in
Neapolis und den tätlichen Angriffen auf die Leute in Neapolis
und die Leute in Puteoli und die Güter des Palla gesprochen
hat. Ich wünschte nur, er hätte ebenso auch über
Dios Ermordung gesprochen. Jedoch, was erwartet ihr darüber
noch zu hören? Schließlich hat doch der Täter
dieses Verbrechens nichts zu befürchten, er kann es sogar
offen zugeben - denn er ist ja ein König, der nicht der
römischen Gerichtsbarkeit unterliegt! Der aber, der als
Helfershelfer und Mitwisser galt, Publius Asicius, der ist ja von
der Anklage freigesprochen worden. Es heißt, unsaubere
Machenschaften vor Gericht hätten zu seinem Freispruch
geführt, aber ich sage, das ist Unsinn - und ich sollte es
wissen, ich habe den Mann ja verteidigt. Jetzt wollen uns die
Ankläger glauben machen, Caelius wäre bei jenem grausamen
Mord Asicius’ Komplize gewesen. Wo haben die Ankläger
die vergangenen Monate verbracht? Könnte es sein, daß
sie die Nachricht von Asicius’ Freispruch nicht mitbekommen
haben? Was für eine Vergeudung ihrer und eurer Zeit, verehrte
Richter, Caelius eine Verbindung zu Asicius nachzuweisen, da auch
Asicius freigesprochen wurde!« Cicero hob theatralisch die
Hände.
»Lassen wir das
also beiseite, damit wir endlich zum entscheidenden Punkt des
Prozesses kommen. Die Anklage hat ausführlich über
Charakter gesprochen, und ich bin absolut ihrer Meinung: Charakter
ist in der Tat die entscheidende Frage, wenngleich nicht
notwendigerweise der Charakter von Marcus Caelius. Ich habe
nämlich bemerkt, ihr Richter, daß ihr meinem Freund
Lucius Herennius sehr aufmerksam zugehört habt. Er sprach ja
lang und breit über Genußstreben, über Begierden,
über die Laster der Jugend und über Unmoral. Herennius,
der im sonstigen Leben so milde ist und über jene
liebenswürdige menschliche Duldsamkeit verfügt, in der
man sich heute allgemein gefällt. Aber in diesem Prozeß
zeigte er sich als grämlicher alter Onkel, als Sittenrichter
und Schulmeister. Er hat Marcus Caelius schlimmer zugesetzt als
jemals ein Vater seinem Sohn und sich langatmig über dessen
maß- und zügellose Art verbreitet. Mir jedenfalls lief
ein Schauder über den Rücken, so finster und schroff war
seine Rede. Er verlangte zu wissen, ob es rechtens sei, daß
ich einen Mann verteidige, der keine Einladung ausschlug, der in
den
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