Römischer Lorbeer
ein Verbot?
Da sagt nun sicher
jemand: ›Das ist also deine Zucht und Ordnung? So erziehst
du die Jugend? Dafür hat dir der Vater den Jungen anvertraut
und in die Lehre gegeben, daß er seine Jugendzeit in
Liebschaften und Vergnügungen hinbringt und du solche
Neigungen gar noch zu rechtfertigen suchst?« Natürlich
nicht. Aber, ihr Richter, einmal ganz ehrlich gesprochen, hat es je
einen Mann mit solcher Willensstärke und Anlage zu sittlicher
Kraft gegeben, daß er allen Versuchungen widerstanden und
sich nur dem Streben nach Höherem gewidmet hätte? Einen
Mann ohne das geringste Interesse an Freizeit, Liebschaften oder
einfach nur Spaß?
Zeigt mir einen
solchen Mann, er muß meiner Ansicht nach mit geradezu
göttlichen Gaben bedacht und ausgezeichnet worden sein. Solche
Männer existieren in Geschichtsbüchern, Tugendhelden, die
unser Staatswesen aus kleinen Anfängen zur Größe
erhoben haben, doch in den Straßen der Stadt werdet ihr sie
heute vergeblich suchen. Selbst unter den griechischen Philosophen,
die in ihren Schriften die Erinnerung an diese altehrwürdige
Sittenstrenge bewahren (wenn sie dergleichen auch nicht in die Tat
umsetzen konnten), haben sich Zeiten und Sitten geändert. Die
Epikuräer behaupten, der Weise mache die Lust zum Ziel allen
Handelns. Die Akademiker meinen, man müsse Lust und Moral in
Einklang bringen, was sie mit virtuoser Beredsamkeit versuchen. Wer
jedoch wie die Stoiker noch den geraden Weg predigt: ohne
Schweiß kein Preis - der sieht sich in den Hörsälen
allein gelassen.
Die Natur hat ja
selbst allerhand Verlockungen für uns geschaffen, bei denen
sich auch die Tugend bisweilen betören und einlullen
läßt. So manchen schlüpfrigen Pfad weist sie der
Jugend, doch dafür hat sie sie auch mit besonderer Ausdauer
und außergewöhnlicher Empfindlichkeit ausgestattet.
Zeigt mir einen jungen Mann, der es verschmäht, die Augen auf
die Schönheit der Welt zu richten, der sich durch keinen Duft,
keine Berührung, keinen Geschmack einnehmen läßt,
der sein Ohr vor jedem lieblichen Klang verschließt, so werde
ich und vielleicht noch ein paar andere von diesem glauben, die
Götter seien ihm gnädig, die meisten allerdings werden
meinen, die Götter hätten ihn im Zorn so
geschaffen.
Deswegen genug dieser
absoluten Maßstäbe. Wir wollen der Jugend ihren Freiraum
gönnen. Sollen Unreife und Dummheit auch einmal den Sieg
über die Vernunft davontragen. Ein junger Mann mit einem
starken Charakter wird sich durch derlei Erfahrungen nicht kleiner
machen lassen, sondern ihnen im Laufe der Zeit entwachsen und sich
der Tätigkeit auf dem Forum und den Staatsgeschäften
zuwenden. Wer wollte bezweifeln, daß Marcus Caelius das
bereits getan
hat? Ihr habt gehört, wie er selbst für sich sprach und
den Stil seiner Rede, die Gewandtheit des Vortrags und seinen
Gedanken- und Ausdrucksreichtum würdigen können. Aus
eigener Erfahrung kann ich euch versichern, daß man solch
überragende Fertigkeiten nur durch Hingabe und strikte
Disziplin erlangen kann. Die Karriere des Marcus Caelius hat
mittlerweile einen Punkt erreicht, an dem er weder die Zeit noch
die Neigung besitzt, frivolen Abenteuern
nachzugehen.
Nun habe ich, scheint
mir, in meiner Rede die Untiefen überwunden und die Klippen
umschifft und kann den Rest der Fahrt einen leichten Kurs steuern!
Zwei Anklagepunkte gibt es ja, schwerwiegende Delikte: es geht
einmal um das Gold, das sich Caelius angeblich von Clodia geliehen
hat, um einen Sklaven des Lucceius zu bestechen, Dio zu töten.
Eine fürchterliche Anklage: ein Attentat auf Gesandte zu
verüben und Sklaven zur Ermordung eines Gastfreundes ihres
Herrn aufzuwiegeln - ein ganz und gar verwegener und
verbrecherischer Anschlag!
Angesichts dieser
Beschuldigung stelle ich zunächst folgende Frage: Hätte
Clodia ihm das Geld geliehen, ohne ihn zu fragen, zu welchem Zweck
er es brauchte? Gewiß nicht! Wenn er aber etwas sagte, dann
ist sie als Mitwisserin ebenfalls in das Verbrechen verstrickt.
Bist du deshalb heute hierher gekommen, Frau, um ein
Geständnis abzulegen? Um uns zu berichten, wie du das Gold aus
dem Schrein der nackten Venus genommen hast, wo du all die
Pfänder deiner Liebhaber aufbewahrst, um Caelius die Beute
für seine Schurkerei zu übergeben? Hast du Venus selbst
zur Mitwisserin und Mithelferin gemacht?«
Ich schaute Catull an,
weil ich aus den Augenwinkeln sah, daß sich seine Lippen
bewegten, als würde er Ciceros Rede zusammen mit
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