Römischer Lorbeer
ihrem strengen Blick nickten der Philosoph, der Galloi und
ich und gaben dabei Laute der Anerkennung von uns. Zufrieden zogen
Bethesda und Diana sich zurück und überließen das
Weitere den Sklavinnen.
So verzweifelt und
elend er auch sein mochte, Dio war dennoch ein äußerst
hungriger Mann. Er schaufelte das Essen schnell in sich hinein und
verlangte nach mehr. Neben ihm schmauste Trygonion noch
genußvoller, wenn auch in geradezu widerwärtiger
Ermangelung jeglicher Tischsitten. Er schob das Essen mit dem
Daumen auf seinen Löffel und steckte die Finger in den Mund.
Aber es ist ja bekannt, daß Galloi, von den Ekstasen
fleischlicher Lust ausgeschlossen, notorische Vielfraße
sind.
5
Die Winternacht senkte
sich kalt und klar über Rom. Nachdem meine Gäste gegessen
hatten, waren sie rasch aufgebrochen. Das Erzählen seiner
traurigen Geschichte hatte Dio erschöpft. Und das üppige
Mahl auf leeren Magen hatte ihn ziemlich schläfrig werden
lassen. Wegen der mich bedrängenden Schuldgefühle
hätte ich meine Weigerung, ihn aufzunehmen, beinahe
rückgängig gemacht und war schon bereit, ihm ein Bett
anzubieten, und sei es nur für eine Nacht; doch Dio machte mit
knappen Worten deutlich, daß er entschlossen sei, den
Rückweg zum Haus des Titus Coponius anzutreten. Ich konnte ihm
seinen barschen Ton nicht übelnehmen. Er war mit der Bitte um
Hilfe zu einem alten Bekannten gekommen und mußte mit leeren
Händen wieder gehen. Verzweifelte Männer tun sich schwer,
eine Abweisung würdig zu ertragen, auch
Philosophen.
Ich bestand darauf,
daß Dio sich zu seiner Sicherheit auf dem Heimweg von Belbo
begleiten ließ. Das war das mindeste, was ich tun konnte.
Trygonion verbarg sein langes Haar unter seinem Hut, Dio bedeckte
sein Haupt mit seinem Umhang - und wieder verwandelten sie sich in
die Trugbilder einer Römerin und eines Römers. Im Schutz
der Dunkelheit verließen sie das Haus, wie sie gekommen
waren.
Nachdem meine
Gäste gegangen waren, sah ich mich mit der lästigen
Pflicht konfrontiert, meine Sachen für die Reise nach Illyrien
zu Ende zu packen, wo ich Meto treffen wollte. Bethesda hatte mir
schon viel Arbeit abgenommen, aber gewisse Vorbereitungen muß
der Reisende selbst treffen. Weil man nur bei Tageslicht reiten
konnte und die Wintertage kurz waren, wollte ich früh
aufbrechen und entsprechend zeitig ins Bett kommen, doch meine
Vorbereitungen nahmen mich bis Mitternacht in Anspruch, was jedoch
nicht weiter schlimm war; denn als ich endlich ins Bett kroch,
konnte ich nicht einschlafen, und meine Gedanken kreisten um Dio
und seine verzweifelte Lage. Ich streckte die Hand nach Bethesdas
Schulter aus, doch sie wandte sich ab, offenbar wegen irgendwas
beleidigt.
Als ich über den
seltsamen Besuch nachdachte, fiel mir auf, daß ich es
versäumt hatte, einige wichtige Einzelheiten herauszufinden.
Jemand hatte mich Dio empfohlen. Wer? Und was tat er in
Gesellschaft des kleinen Galloi? Die beiden wirkten wie Feuer und
Wasser, und doch vertraute Dio Trygonion offenbar so sehr,
daß er mit ihm verkleidet das Haus verließ.
Sei’s drum,
dachte ich dösend, diese Fragen hatten Zeit, bis ich aus
Illyrien zurückkehrte und Dio wiedersah. Doch im selben Moment
fiel mir der Ausdruck wieder ein, den ich in den Augen des
Philosophen gesehen hatte - den Ausdruck eines Mannes, der schon
tot war. Ich schreckte hoch und war mit einem Mal wieder
hellwach.
Ich drehte mich auf
die Seite und streckte erneut die Hand nach Bethesda aus. Sie
schnaufte vernehmlich und zog ihre Schulter weg. Ich rief leise
ihren Namen, doch sie tat so, als ob sie schliefe. Was hatte ich
falsch gemacht? Woran hatte sie Anstoß genommen? Ein Strahl
des Mondes fiel auf das Bett und erleuchtete ihr Haar. Sie hatte es
am Morgen mit Henna gewaschen, um ihm neue Fülle zu geben und
die grauen Strähnen farblich zu überdecken. Der Geruch
war vertraut, behaglich und erregend. Sie hätte mir helfen
können einzuschlafen, dachte ich, doch schien sie ebensowenig
bereit, zu meiner Entspannung beizutragen, wie ich bereit gewesen
war, Dio zu helfen. Ich starrte auf ihre zerzauste Mähne, ein
undurchdringlicher Wald, düster und von keinem noch so kleinen
Pfad durchzogen.
Ich wälzte mich
hin und her, bis ich mich schließlich wieder aufrichtete. Ich
trug bereits eine lange Tunika gegen die Kälte. Ich schlüpfte in
meine Schuhe und griff nach meinem wollenen Umhang.
Unter dem
verschleierten Blick der Minerva im Atrium betrachtete ich
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