Römischer Lorbeer
Klasse junger Römer,
über die Dio am Nachmittag gesprochen hatte, als er Publius
Asicius beschrieb, den Mann, der angeblich versucht hatte, ihn zu
vergiften: charmante, geistreiche junge Männer aus gutem
Hause, aber mit ungewissen Perspektiven, berüchtigt für
ihre absolute Skrupellosigkeit, witzig und gebildet, mit einer
Vorliebe für ausgiebige Trinkgelage und zotige Geschichten,
freundlich, schmeichlerisch und unter keinen Umständen
vertrauenswürdig. Caelius und sein Freund kehrten
wahrscheinlich von einem nächtlichen Gelage in einer Villa aus
der Nachbarschaft zurück. Überraschend nur, daß sie
keine jungen Frauen bei sich hatten - vielleicht waren sie sich ja
für diese Nacht selbst genug.
Vor dem Eingang zu
Caelius’ privatem Treppenhaus blieben sie auf der
Straße stehen. Caelius pochte gegen die Tür.
Während sie darauf warteten, daß ein Sklave
öffnete, konnte ich Bruchstücke ihres Gesprächs mit
anhören. Als ich Caelius den Namen »Asicius« sagen
hörte, fuhr ich zusammen. Wahrscheinlich hatte ich es mir nur
eingebildet, dachte ich, herausgefiltert aus einem Seufzer oder
einem Zischen, weil ich gerade an Dios Worte gedacht hatte. Doch
dann hörte ich es wieder. »Asicius, du Arsch«,
sagte Caelius, »du hättest es diesmal fast wieder
vermasselt! Zwei schwere Schnitzer
hintereinander!«
»Ich?«
rief der andere Mann. Ich konnte ihn im Dunkeln nicht richtig
erkennen, doch er wirkte genauso groß und breitschultrig wie Caelius. Er
lallte ziemlich stark, so daß ich nur Fetzen dessen verstand,
was er sagte: »Ich bin nicht derjenige, der… du hast
versäumt mir zu sagen, daß wir… um dann
herauszufinden… bereits!… und der Ausdruck auf
seinem… ach, komm schon, zum Hades mit dir, Caelius, und
deinem erbärmlichen Ägypter…«
Die Tür
öffnete sich. Caelius und Asicius wollten gleichzeitig
eintreten und stießen gegeneinander. Irgend etwas fiel
klirrend zu Boden; Stahl blitzte auf. Caelius drehte sich um und
bückte sich, um den Dolch aufzuheben. Als er sich wieder
aufrichtete, sah er mich auf der anderen Straßenseite im
Schatten stehen.
Er blinzelte betrunken
und versuchte auszumachen, ob ich ein Mensch oder bloß ein
Schatten war. Ich hielt den Atem an. Er kam langsam auf mich zu,
den Dolch in der Hand.
»Wohin zum Hades
willst du jetzt wieder?« stöhnte Asicius. »Komm,
Caelius, es ist kalt hier draußen. Du hast gesagt, du
würdest mich wärmen!«
»Halt’s
Maul!« flüsterte Caelius heiser. Er war schon auf halbem
Weg über die Straße und starrte mich direkt
an.
»Caelius, was
— ist da jemand?«
»Halt’s
Maul, Asicius!«
Es war so still,
daß ich dachte, sie müßten das Pochen meines
Herzens hören können. Caelius’ Dolch glitzerte im
Mondlicht. Er kam näher und stolperte über einen
Pflasterstein. Ich zuckte zusammen.
»Ich bin’s
nur, Nachbar«, sagte ich mit zusammengebissenen
Zähnen.
»Ach du,
Gordianus!« Caelius grinste und ließ den Dolch sinken.
Ich seufzte vor Erleichterung.
»Wer ist
es?« wollte Asicius wissen, der angetorkelt kam und unter
seine Tunika griff. »Ärger?«
»Oh, wohl
nicht«, sagte Caelius. Lächelnd im Mondlicht stehend,
sah er aus wie eine Apollo-Statue aus weißem Marmor.
»Du suchst doch heute nacht keinen Ärger, oder,
Nachbar?«
»Ich mache nur
einen Spaziergang«, antwortete ich. »Ich breche morgen
zu einer Reise auf und kann nicht schlafen.«
»Ein wenig kalt
für einen Spaziergang, oder nicht?« meinte
Asicius.
»Für euch
ist es ja auch nicht zu kalt«, gab ich
zurück.
Asicius sah mich
finster an, doch Caelius klopfte ihm auf die Schulter und lachte.
»Geh nach Hause und schlaf noch ein bißchen, Gordianus!
Um diese Nachtzeit sind nur Menschen unterwegs, die nichts Gutes im
Sinn haben. Komm, Asicius. Zeit, sich aufzuwärmen.« Er
legte den Arm um die Schulter seines Begleiters und zog ihn
zurück zu seiner Tür. Sie verschwanden im Haus, und die
Türe wurde zugeschlagen.
In der ruhigen Nacht
hörte ich durch die geschlossene Tür ihre gedämpften
Stimmen und ihre schweren Schritte auf der Treppe. Die
Geräusche verstummten rasch, und dann herrschte absolute
Stille. Plötzlich drang die Kälte durch meinen Umhang und
ließ mich zittern. Mit raschen Schritten machte ich mich auf
den Heimweg. Die ganze Umgebung war entweder in ein fahles
Austernweiß getaucht oder lag in undurchdringlichen schwarzen
Schatten. Kaltes Mondlicht hatte die Welt versteinern
lassen.
Ich schlüpfte
wieder ins Bett. Ich
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