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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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seine Gesichtszüge
noch immer im Schatten lagen, konnte ich an seinem Gesicht ein
breites Grinsen aufblitzen sehen.
    »Liebling!« Das Wort
entwich Clodias Lippen spontan wie ein Stöhnen oder Seufzer.
Ihre Stimme klang nicht falsch oder neckend, nicht gerissen oder
andeutungsvoll. Sie sprang von ihrem Sofa und lief dem Mann
entgegen, als er das Zelt betrat. Es war schwer zu sagen, wer von
beiden nackter wirkte, der sehnige, großgewachsene, nur von
Wassertropfen bedeckte Mann oder Clodia in ihrem durchscheinenden
seidenen Gewand. Sie umarmten sich und küßten einander
auf den Mund.
    Nach einer Weile
löste sich Clodia von ihm und ergriff seine Hände. Wo ihr
Kleid durch die Umarmung feucht geworden war, schmiegte es sich wie
eine zweite Haut an ihren Körper und war so noch
durchsichtiger als zuvor. Sie wandte den Kopf, sah mich mit offenem
Mund dastehen und lachte. Der Mann tat dasselbe, als wäre er
ihr Spiegelbild.
    »Aber
Liebling«, sagte sie, drückte seine Hand und kicherte
wie ein Mädchen, »warum bist du nicht einfach durch den
Eingang gekommen? Was um alles in der Welt hast du bei den anderen
im Wasser gemacht? Und wann hast du dich zu ihnen gesellt? Wie
konnte ich dich nur übersehen!«
    »Ich bin gerade
erst angekommen«, sagte er lachend. Sein Lachen war tiefer
als Clodias, ähnelte ihm aber auf geradezu unheimliche Weise.
»Ich dachte, es wäre amüsant, mich unter deine
Bewunderer zu mischen, um zu sehen, ob ich deine Aufmerksamkeit
gewinnen könnte. Nun, das ist mir offensichtlich nicht
gelungen!«
    »Aber ich war
abgelenkt, Liebling, durch sehr wichtige Angelegenheiten!«
Sie nickte mir mit übertrieben ernster Miene zu. Der neckende
Unterton war in ihre Stimme zurückgekehrt. Sie gab wieder eine
Vorstellung, obwohl nicht klar war, für wen. »Es geht um
Dio, Liebling, und um den Prozeß. Das ist Gordianus, der
Mann, von dem ich dir erzählt habe. Er wird uns helfen, Marcus
Caelius zu bestrafen.«
    Der Mann wandte mir
sein strahlendes Lächeln zu. Und erst jetzt erkannte ich ihn.
Ich hatte ihn schon oft von weitem auf dem Forum gesehen, wo er
seine Anhänger aufhetzte oder sich in Gesellschaft der
mächtigsten Vertreter des Staates zeigte, aber noch nie nackt
und mit glatt zurückgekämmtem Haar. Es war erstaunlich,
wie sehr Publius Clodius seiner Schwester ähnelte, vor allem,
wenn man die beiden nebeneinander sah.

11
    »Mir fällt
ein Rat ein, den du mir zu Anfang meiner eigenen Karriere gegeben
hast, Papa: ›Nehme nie einen Auftrag ohne irgendeine Art
Vorschuß an, und sei er noch so klein.‹ Eco legte den
Kopf zur Seite und sah mich eindringlich an.
    »Was willst du
damit sagen?« fragte ich.
    »War deine
Börse, als du Clodias horti heute nachmittag verlassen hast,
schwerer als bei deiner Ankunft?« Das war seine Art zu
fragen, ob ich Clodias Auftrag angenommen hatte, den Mord an Dio zu
untersuchen - typisch Eco, immer sofort zum Kern der Sache
vorzustoßen! 
    Trotz der fast
sommerlichen Wärme des Tages war es früh dunkel geworden,
schließlich hatten wir erst Martius. Als ich Clodias horti
kurz nach Eintreffen ihres Bruders verlassen hatte, sank die Sonne
bereits und hatte den Tiber in ein flammend goldenes Band
verwandelt. Als Belbo und ich nach dem Rückweg über die
Brücke, die schon geschlossenen Viehmärkte und den Hang
des Palatin hinauf zu Hause ankamen, dämmerte es bereits, und
der Abend senkte sich mit kühler Frische über die Stadt.
Nach einem eiligen Mahl mit Diana und Bethesda war ich trotz meiner
müden Beine mit Belbo erneut zu einem Marsch durch
die Stadt aufgebrochen, um mich mit meinem älteren Sohn zu
beraten.
    Wir saßen im
Arbeitszimmer des Hauses auf dem Esquilin, das einst mein Haus und
davor das meines Vaters gewesen war. Jetzt gehörte es Eco und
seiner Familie. Seine Frau Menenia war nirgends zu sehen,
vermutlich war sie damit beschäftigt, die aufgeweckten
Zwillinge ins Bett zu bringen, deren schrilles Lachen gelegentlich
in der Abendluft widerhallte.
    Ich hatte Eco gerade
mein Gespräch mit Clodia geschildert, als dieser seine direkte
Frage stellte.
    »Als ich die
horti der Dame verlassen habe«, sagte ich, »war meine
Börse beträchtlich schwerer geworden.«
    »Also hast du
ihren Auftrag angenommen?«
    Ich nickte.
    »Dann glaubst
du, daß Marcus Caelius Dio ermordet hat?«
    »Das habe ich
nicht gesagt.«
    »Aber du willst
nach Beweisen suchen, die ihn überführen
könnten.«
    »Wenn es solche
Beweise gibt.«
    »Clodias
Verdachtsmomente erscheinen mir

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