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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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befürchten
hatte.

17
    Rom schlief. Die
großen Villen und Mietshäuser auf dem Palatin waren
dunkel, die Straßen bis auf den Widerhall meiner Schritte
still. Wie spät mochte es sein? Abend- und
Morgendämmerung schienen gleich weit entfernt, wie
entgegengesetzte Ufer, die von der Mitte eines riesigen schwarzen
Sees unmöglich auszumachen waren. Ich hatte das Gefühl,
vollkommen allein zu sein, der letzte wache Mensch Roms.
    Dann hörte ich
Schritte hinter mir.
    Ich blieb stehen.
Einen Herzschlag später verharrten auch die
Schritte.
    Ich ging ein
Stück weiter. Die Schritte folgten mir.
    Gordianus,
flüsterte es in mir, jetzt hast du es endgültig
geschafft, du bist nach einem Leben voller Wagnisse das Wagnis
deines Lebens eingegangen. Du hast die gefährliche
Angewohnheit entwickelt, dich auf Fortunas Gunst zu verlassen, bist
stets davon ausgegangen, daß die Göttin dir deine
Torheiten verzeihen und dich im letzten Moment beschützen
würde, weil das einzigartige Drama deines Lebens sie aus
irgendeinem Grund so fasziniert, daß sie wünscht, es
möge weitergehen. Jetzt war Fortunas Interesse scheinbar
erlahmt; sie hatte ihre Aufmerksamkeit für die Dauer eines
Augenzwinkerns anderen Dingen zugewandt, lange genug, um mich
auszulöschen und für immer aus der Geschichte der Welt zu
streichen.   
    Ein Teil von mir
glaubte das wirklich und machte sich auf das Schlimmste
gefaßt. Doch ein anderer Teil von mir wußte, daß
ich unmöglich schon jetzt sterben konnte, und
räumte die
Möglichkeit lediglich in einem Lippenbekenntnis ein, um
Fortuna wissen zu lassen, daß ich ihre Hilfe nicht für
selbstverständlich hielt, und sie sanft daran zu erinnern,
daß sie besser rasch etwas unternehmen sollte.
    Die Schritte hinter
meinem Rücken wurden schneller. Ich kämpfte gegen den
Drang, einfach loszurennen, und drehte mich statt dessen um. Ich
war nicht bereit, wie jene Unglücklichen zu enden, die man
erstochen in der Gosse fand.
    Die Straße war
eng und dunkel. Die Gestalt bewegte sich mit leicht schwankendem
Gang auf mich zu. Der Mann war allein, und wenn ich mich nicht
täuschte, hatte er zu viel Wein getrunken. Am Ende ist es
bloß der Dichter Catull, sagte ich mir, der Mann, von dem
Clodius meinte, daß ich ihn nicht zu fürchten
bräuchte.
    Oder aber es war doch
der betrunkene Marcus Caelius, der mir mit einem Messer auflauerte.
Oder ein namenloser Lakai von König Ptolemaios. Oder ein
Knoblauch fressender Gladiator, den Pompeius geschickt hatte. Oder
sonst jemand, der mich töten wollte, weil er glaubte, ich
wüßte etwas, was ich in Wirklichkeit gar nicht
mußte.     
    Ein paar Schritte
entfernt blieb er stehen. Ich konnte sein Gesicht noch immer nicht
erkennen, doch der Äthiopier war es ganz offensichtlich nicht;
dafür war der Mann nicht groß genug. Er war von
mittlerer Größe und schlanker Statur. Als er das Wort
ergriff, erkannte ich Catulls Stimme.
    »Dann ist sie es
jetzt also überdrüssig, die Früchte vom Baum zu
pflücken, bevor sie reif sind. Jetzt wildert sie schon in der
Gruft.« Er klang nur leicht betrunken, spöttisch und
nicht besonders bedrohlich. 
    »Ich
fürchte, ich kann dir nicht folgen«, sagte
ich.
    »Bist du nicht
viel zu alt, um den Platz in ihrem Bett zu
wärmen?«
    »Wessen Bett?
Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    Er kam ein paar
Schritte näher. »Wir sollten ins Licht treten, damit ich
dein Gesicht sehen kann, während du mich anlügst. Du
weißt, welches Bett ich meine.«
    »Mag sein. Aber
du irrst dich.«
    »Wirklich? Der
verdammte Galloi übermittelt Nachrichten zwischen dir und ihr
und bringt dich in ihre horti. Ihr gondelt in einer Sänfte mit
geschlossenen Vorhängen durch die Stadt, und du bleibst bis
tief in die Nacht in ihrem Haus. Du mußt ihr neuer Liebhaber
sein.«
    »Mach dich nicht
lächerlich.«
    Er wich ein wenig
zurück und begann mich zu umkreisen. Auf einmal wurde mir
klar, daß er vermutlich mehr Angst vor mir hatte als ich vor
ihm. Er war es schließlich auch gewesen, der auf der Rampe
die Flucht ergriffen hatte.
    »Zumindest ist
sie mit Caelius fertig, obwohl ich nicht verstehe, wie sie ihm
für jemanden wie dich den Laufpaß geben
konnte.«
    »Du beleidigst
mich«, sagte ich. »Soll ich weiterhin auf der Wahrheit
bestehen - daß ich nämlich nicht Clodias Liebhaber bin -
und die Schmähung meiner Männlichkeit
überhören? Oder soll ich dich, um die Beleidigung von mir
zu weisen, anlügen und sagen, daß Clodia
tatsächlich meine Geliebte ist und

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