Römischer Lorbeer
gemeinsame
nächtliche Tempelwachen von Männern und Frauen und wenige
Auserwählte, die durch Tunnels kriechen, von deren Decke Blut
tropft. Für dergleichen haben wir Römer nichts
übrig, egal unter welchem religiösen Deckmäntelchen.
Und auch Attis wird tunlichst nicht erwähnt! An den
kastrierten Liebhaber wollen wir lieber nicht erinnert werden. Also
mutierte die offizielle Feier zu Ehren Kybeles zu einem weiteren
Anlaß, bei dem Priester und Politiker Dramen und Circusspiele
für die Massen aufführen können. Was die Galloi und
der innere Zirkel der Gläubigen hinter verschlossenen
Türen treiben, ist natürlich etwas ganz anderes…
Oh, ich glaube es nicht!«
Mit einem
Tamburinrasseln hatte die Musik wieder begonnen.
»Wahrscheinlich
sind sie mit dem Abendessen fertig und legen jetzt wieder
los«, sagte Clodius finster. »Meinst du, sie essen wie
andere Menschen auch?«
»Als Trygonion
in meinem Haus zu Gast war, hat er jedenfalls einen
beträchtlichen Appetit an den Tag
gelegt.«
»Wann war denn
das?«
»Er hat Dio
begleitet, als der mich um Hilfe bat. Am Abend seiner
Ermordung.«
»Ach ja. Als er
den armen alten Mann zu dieser Verkleidungskomödie
überredet hat. Clodia hat mir davon erzählt. Dio in einer
Stola — die Vorstellung ist einfach zu verrückt. Typisch
Trygonion, er sehnt sich danach, etwas zu sein, was er nicht ist,
und zieht andere in seine Phantasie-Welt hinein.«
»Der Galloi
scheint eine seltsame Beziehung zu deiner Schwester zu
pflegen.«
Clodius grinste.
»Ein weiteres Beispiel für Clodias fragwürdige
Menschenkenntnis. Wie bei Catull, Marcus
Caelius…«
»Du willst doch
nicht etwa andeuten, daß sie und
Trygonion…?«
»Sei nicht
albern. Aber in gewisser Weise ist er nicht anders als die
Männer, die mit intakten Hoden in dieses Haus gekommen und
wieder gegangen sind: Alle lassen sie sich von Clodia behandeln wie
Sklaven - eine Zeitlang jedenfalls. In jüngster Zeit haben wir
Trygonion nur noch selten gesehen. Er hat alle Hände voll zu
tun, mit den anderen Galloi das Fest vorzubereiten. Vielleicht
bläst er die Flöte, die wir gerade hören.« Er
runzelte die Stirn. »Vielleicht ist Clodia drüben im
Haus der Galloi, um eine Unterhaltungseinlage für ihre
Gesellschaft zu planen.«
»Ihre
Gesellschaft?«
»Am Vorabend des
Festes der Großen Mutter gibt Clodia jedes Jahr eine
Gesellschaft. Es ist das erste gesellschaftliche Ereignis des
Frühlings. Es findet heute in drei Tagen
statt.«
»Aber das ist
auch der Eröffnungstag des Prozesses.«
»Reiner Zufall.
Ein weiterer Grund zu feiern, wenn alles gut läuft. Der Garten
wird voller Menschen sein, und auf der Bühne - na ja, Clodia
muß sich jedes Jahr selbst übertreffen. Vielleicht
spielt Trygonion in diesem Jahr für uns auf seinem
Instrument.« Er lachte zynisch. »Ich kann leider nicht
kommen. Ich habe mich zum Aedilen wählen lassen und muß
die offiziellen Feiern überwachen - zu beschäftigt, um
mich zu amüsieren. Wahrscheinlich werde ich auch den
Prozeß verpassen. Wirklich schade. Ich würde Caelius
gern zappeln sehen. Nichts geht über einen guten
Prozeß.« Seine grünen Augen glänzten. Im
Licht der Lampe sah er seiner Schwester noch ähnlicher.
»Sogar bei meinem eigenen Prozeß habe ich mich amüsiert.
Daran erinnerst du dich doch noch, Gordianus?«
»Ich war nicht
dabei«, erwiderte ich vorsichtig. »Aber jeder erinnert
sich an die Affäre um die Gute Göttin.«
Er nahm einen
großen Schluck von seinem Wein. »Die ganze Tortur hat
mich dreierlei gelehrt: Erstens, vertraue nie darauf, daß
Cicero dir den Rücken stärkt. Es ist wahrscheinlicher,
daß er dich hinterrücks meuchelt! Zweitens, wenn du
Geschworene bestichst, sorge für eine komfortable Mehrheit.
Dann schläfst du in der Nacht vor dem Prozeß besser.
Zumindest habe ich diese Erfahrung gemacht.«
»Und
drittens?«
Ȇberlege
es dir zweimal, bevor du in Frauenkleider schlüpfst, aus
welchem Grund auch immer. Mir hat es jedenfalls gar nichts
genützt.«
»Dio auch
nicht«, meinte ich.
Clodius lachte kurz
und trocken. »Vielleicht hast du am Ende doch
Humor.«
Je älter ich
werde, desto leichter schlafe ich ein, ohne es zu
wollen.
Nach dem Essen
entschuldigte Clodius sich, um sich zu erleichtern. Ich entspannte
mich, schloß die Augen und lauschte dem Gesang der Galloi.
Die wohlklingende Passage, die mir schon zuvor aufgefallen war,
erklang wieder, und ich folgte ihr, bis ich das Gefühl hatte,
auf fremden Klängen über
Weitere Kostenlose Bücher