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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Clodias Garten zu schweben, bis
ich der riesigen Venus direkt in die Augen sehen konnte, und noch
höher hinauf. Rom lag unter mir wie eine Spielzeugstadt,
mondbeschienen und mit Tempeln wie aus kleinen Bauklötzen. Die
Musik schwoll an und ab, und ich wurde mit ihr fortgetragen wie
Schaum auf einer Welle, wie eine Feder im Wind, bis jemand in mein
Ohr flüsterte: »Wenn Marcus Caelius Dio nicht ermordet
hat, wer war es dann?«
    Ich schreckte hoch.
Die Stimme war so deutlich und nahe gewesen, daß ich
überrascht war, allein zu sein. Die Lampen waren erloschen. Am Himmel standen
zahllose Sterne; der Garten war dunkel, und bis auf das leise
Plätschern des Brunnens war kein Geräusch zu hören.
Jemand hatte eine Decke über mich geworfen.
    Sie roch nach Clodias
Parfüm.
    Zu viel
honiggesüßter Wein, dachte ich. Zu viel gehaltvolles
Essen. Trotzdem hatte ich einen klaren Kopf und fühlte mich
erfrisch'. Wie lange hatte ich geschlafen?
    Ich schob die Decke
beiseite, die Nacht war noch immer warm. Ich stand auf, streckte
die Arme und sah mich um, noch immer nicht überzeugt,
daß ich wirklich allein war. Doch im Garten war niemand bis
auf den bittenden Adonis und die thronende Venus, die nur als
riesige schwarze Silhouette auszumachen war. Ihre Augen
glänzten matt im Mondlicht. Wieder hatte ich das irritierende
Gefühl, die Statue würde jeden Moment zum Leben erwachen.
Mir lief ein Schauer über den Rücken, und ich hatte es
auf einmal eilig, den Garten zu verlassen.
    Auf dem Absatz der
Treppe blieb ich stehen und rief leise: »Clodius? Clodia?
Chrysis?« Aber niemand antwortete. Das Haus war vollkommen
still. Ich hätte genausogut in einem leeren, über Nacht
geschlossenen Tempel sein können. Ich ging durch den Flur und
das Atrium in die Halle. An der Tür war bestimmt ein Sklave
postiert, vielleicht derselbe alte Mann, der uns am Nachmittag
hereingelassen hatte.
    Doch der
Türsklave, Barnabas, schlief tief und fest. Er saß auf
dem Boden, an die Wand gelehnt, sein Kopf halb in den Nacken
gelegt, so daß ich im Licht der Sterne, das aus dem Atrium in
die Halle fiel, sein Gesicht mit den zusammengewachsenen Brauen
erkennen konnte. Um ihn herum zeichneten sich auf dem Boden
seltsame Konturen ab, die ich erst nach einer Weile als Chrysis
erkannte, die, den Kopf in seinen Schoß gelegt, ebenfalls
schlief. In der vollkommenen Stille hörte ich sie leise
atmen.
    Clodius hatte
versprochen, dafür zu sorgen, daß ich sicher nach Hause
kommen würde, was nur bedeuten konnte, daß er mir eine Begleitung
stellen wollte. Es wäre also völlig normal gewesen,
Chrysis oder Barnabas zu wecken und ihnen zu erklären, was ich
brauchte. Aber sie lagen so friedlich da, daß ich mich aus
Angst, sie zu stören, kaum zu rühren wagte.
    Eine Hand
berührte meine Schulter. Ich drehte mich um und starrte in die
Finsternis. Der Äthiopier war so dunkel, daß ich ihn auf
den ersten Blick gar nicht sehen konnte.
    »Mein Herr hat
gesagt, ich soll mich um dich kümmern, wenn du
aufwachst«, sagte er mit einem kaum verständlichen
Akzent.
    »Ist Clodius
noch hier?«
    Der Riese
nickte.
    »Und
Clodia?«
    »Sie ist
gekommen, während du geschlafen hast.«
    »Vielleicht
sollte ich noch mit ihr sprechen, bevor ich gehe.«
    »Sie sind ins
Bett gegangen.«
    »Schlafen sie
schon?«
    »Was tut das zur
Sache?« Im schwachen Licht konnte ich nicht erkennen, ob der
Riese grinste oder die Zähne fletschte. Seine Knoblauchfahne
war schier überwältigend; Gladiatoren und Muskelpakete
essen das Zeug roh, um sich zu stärken.
    Er entriegelte die
Tür und ließ sie mit einem verächtlichen Grinsen
gegen die Schlafenden auf dem Boden schlagen. Chrysis stieß
ein schläfriges Wimmern aus. Barnabas grunzte. »Ein
erbärmlicher Ersatz für einen Türsklaven«,
schnaubte der Äthiopier verächtlich. »Sie ist zu
weich gegenüber ihren Sklaven. Na, dann mal los. Ich folge
dir.«
    »Nein«,
sagte ich. »Ich gehe allein.« Der Mann machte mich
nervös.
    Der Äthiopier
verschränkte die Arme und sah mich grimmig an. »Der Herr
hat mir ausdrückliche Anweisungen gegeben.«
    »Ich finde schon
allein nach Hause«, erwiderte ich. Unser
»Gespräch« war zu einem Duell des Willens
geworden.
    Schließlich
verzog der Äthiopier angewidert das Gesicht und zuckte seine
muskulösen Schultern. »Wie du willst«, sagte er
und schloß die Tür hinter mir.
    Es war nur ein kurzer
Weg bis zu meinem Haus, und es herrschte tiefe, stille Nacht, so
daß ich gewiß nichts zu

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