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Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)

Titel: Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
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Ihr diese Dokumente selbst schon ein Leben lang studiert?“
„Gib nicht auf, bevor du gesucht hast. Sieh, in diesen Räumen befindet sich jedes Stück Pergament, das seit der Erbauung dieser Mauern für würdig befunden wurde, aufgehoben zu werden.“
Ronlad wies auf die unzähligen Regale voller Schriftrollen und Büchern. Thamar seufzte – in diesem dunklen, staubigen Gewölbe lag genug Pergament, um jeden Raum im Palast von Roen Orm damit auszukleiden. Er stellte sein Talglicht auf ein Lesepult und blickte entmutigt auf all die Kisten, Körbe und Truhen am Boden, wo sich ebenfalls Schriftstücke und Folianten in jeder denkbaren Form stapelten. Es war noch schlimmer, als er befürchtet hatte. Er könnte hier unten den Rest seines Lebens verbringen, ohne auch nur die Hälfte von all den Zeugnissen der Vergangenheit gelesen zu haben.
„Nicht verzagen! Alles in den beiden vorderen Regalen kannst du überspringen, das entstammt den letzten Jahrzehnten. Ich müsste es wissen, wenn dort die Flöte der Pya erwähnt worden wäre. Ich würde raten, dass du dich auf diese sechs Truhen dort hinten konzentrierst. Darin befinden sich allerlei Aufzeichnungen über die Götter.“
„Von den Splittern habt Ihr gehört?“, fragte Thamar vorsichtig nach, während er bereits niederkniete, um die erste Holztruhe zu öffnen. Der alte Mann hatte ihm diese Frage bisher nicht beantwortet, lediglich gelächelt.
„Gewiss. Es sind Legenden, niemand weiß, was von ihnen zu glauben ist, aber gehört haben wir sie.“ Ronlad beugte sich hinab, sein nahezu kahler Kopf glänzte im Fackellicht ebenso wie seine dunklen Augen.
„Es ist riskant, nach diesen Legenden zu suchen, nach Artefakten zu fragen, die in den Händen eines Magiers die Welt zerreißen könnten.“ Er zwinkerte Thamar zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Fürchte dich nicht. Du bist glücklicherweise kein Magier, und ich fühle, dass du trotz deiner Jugend Wissen und Verständnis für gefährliche Erbstücke besitzt.“
Thamar nickte stumm, bemüht, sein Unbehagen zu verbergen. Er hatte gewusst, wie gewagt es war, an einem solchen Ort nach Hinweisen zu suchen. Ronlads Lächeln vertiefte sich. Er war ein grundehrlicher, vertrauenswürdiger Mann, das spürte Thamar, und entspannte sich etwas. Er hatte gelernt, sich auf seinen Instinkt zu verlassen. Ilat hatte ihm das gründlich beigebracht.
„Wirklich, es gibt keinen Grund zur Sorge, mein Freund. Du kommst aus der großen Stadt, dort sieht man den Glauben anders. Wir hingegen streben zu tiefer, in sich ruhender Gelassenheit. Die Bereitschaft, alles Übel und Unheil dieser Welt anzunehmen. Nicht dagegen zu kämpfen, sondern sich um das eigene Gleichgewicht zu kümmern. Sich erheben, wenn das Leben anderer in Gefahr ist. Nur so kann man ein Leben in Frieden und Glück führen.“
Er drückte Thamars Arm ein letztes Mal, dann ließ er ihn allein zurück, mit dem Versprechen, schon bald wiederzukommen und ihm beim Sortieren der Dokumente zu helfen.
Friede und Glück … habe ich das schon einmal genießen dürfen?, fragte Thamar sich bitter. Rasch drängte er diese Gedanken fort und vertiefte sich in das Studium eines in Leder gebundenen Buches, dessen schwer lesbarer, eng geschriebener Text über Sternendeutung und Berechnung der Himmelsbahnen verschiedener Gestirne Auskunft gab.
Frieden kenne ich nicht … Glück hingegen schon …
 
~*~
     
Nach einigen Tagen hatte Thamar die sechs Truhen gesichtet, ohne auch nur ein einziges Mal das Wort „Splitter“ gelesen zu haben. Dafür hatte er überraschende Erkenntnisse und Ansichten über die Götter, dem Handeln der Menschen und der Welt allgemein gewonnen. Die Priester hatten so zahlreiche kluge Gedanken über Magie und Glaube zusammengetragen, dass er sich manchmal zwanghaft davon losreißen musste, um seine Aufgabe nicht aus dem Blick zu verlieren. Ronlad kam häufig zu ihm und diskutierte gerne über die vielfältigen Antworten auf solch grundlegende Fragen wie „Was erwartet uns nach dem Tod?“ „Welchen Sinn hat die Magie?“ „Warum gibt es Krieg und so viel Böses in der Welt?“ oder: „Warum greifen die Götter immer wieder in das Schicksal ein, statt allem seinen Lauf zu lassen?“
Thamar fühlte sich wohl in dieser Gemeinschaft und genoss es, an den Gebeten teilzunehmen, oder bei den Pflichten des Alltags zu helfen, sobald er sich von der Suche nach Hinweisen in eng beschriebenen Dokumenten, Folianten und Pergamentrollen losreißen konnte. Er war kräftiger

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