Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
Kaminfeuer berührten wir ihn mit Feuermagie. Am nächsten Morgen war er vollkommen geheilt. Mein Meister sagte, der Mann wäre Pyas Heiligtümern zu nahe gekommen … Ein Satz, den ich nie verstanden hatte, der mir auch nicht erklärt wurde. An eben diesen Satz habe ich mich erinnert, denkbar, dass mit Heiligtum der Flötensplitter gemeint war.“ Er nickte Thamar zu, der angespannt auf die Schriftrollen starrte, die Ronlad weiterhin in der Hand hielt. Sie waren nicht in Roensha verfasst, Thamar erhaschte einen Blick auf verschlungene Schriftzeichen. „Ich weiß nicht, ob du das hier überhaupt lesen kannst. Der Fremde verstand kein Roensha oder einen der hiesigen Dialekte, seine Sprache hatte ich noch nie gehört. Nur einer der alten Priester konnte sich mit ihm unterhalten, und das nur gebrochen. Ich habe nie erfahren, was mit dem Fremden geschehen war, aber er hinterließ dem Tempel diese Aufzeichnungen. Notizen, die er während seiner Genesung verfasst hatte.“
Ronlad legte die eng beschriebenen Seiten auf Thamars Schreibpult nieder. „Du bist ein gelehrter Mann, deine Ausbildung war gründlich und du weißt viele alte Dinge, die als vergessen gelten. Möglicherweise erkennst du die Schriftzeichen?“
Thamar brauchte nur einen Moment, um die verschnörkelten Runen zu erkennen.
„Nagaurisch“, seufzte er. Die Hexen hatten ihm diese ausgestorbene Hochsprache beigebracht. Er erinnerte sich gut, wie er gemeinsam mit Inani darüber geschimpft hatte, wann immer sie zu ihm in sein Exil gekommen war. Merkwürdig, dass vor noch gar nicht so langer Zeit ein Mann nur diese Sprache beherrscht haben sollte, wo sie seit Jahrtausenden ausschließlich in Schriftrollen zu finden war!
Konzentriert starrte er auf die seltsamen, bildhaften Schriftzeichen, flüsterte sie halblaut vor sich hin, während er sie mit dem Finger abfuhr wie ein Kind, das gerade erst zu lesen lernte: „Qeri tkan marktu – ah nein, der Bogen ist rechts ... iquar leir ...“
Er erschauderte, als er die erste Zeile beendet hatte und sah zu Ronlad auf, der ihn geduldig beobachtete.
„Es ist ein paar Jahre her, dass ich diese Sprache lernte, aber wenn ich nicht alles vergessen habe, steht dort: Der Fluch der Göttin schleuderte mich durch die Jahrhunderte, Raum und Zeit .“
Der Priester blickte zur Seite, sein sonst übliches heiteres Lächeln verschwand völlig. Als er Thamar wieder ansah, lag ein Schatten von Angst über ihm.
„Der Fremde, Svern, er verschwand so plötzlich, wie er aufgetaucht war. Meine Meister haben diese Aufzeichnungen ins Archiv gebannt und niemals mehr öffentlich über ihn gesprochen. Einmal allerdings hörte ich, wie sie untereinander von dem Reisenden durch Zeit und Raum flüsterten. Er hat in dieser Sprache geredet, die wir alle nicht verstanden, und seine Kleidung war von einer Art, wie ich sie niemals vorher oder nachher gesehen habe; darum war ich davon ausgegangen, dass er aus einem entlegenen Tal stammen müsse, in sich eine uralte Kultur erhalten konnte.“ Er zögerte, dann wies er auf die Notizen. „Übersetze sie. Ich bitte dich, weil du es selbst willst, sonst würde ich es niemals verlangen. Erzähle mir, was du herausfindest, doch versprich mir, es nicht schriftlich niederzulegen und nicht mit den anderen Priestern darüber zu reden. Ich fürchte, dies ist ein Geheimnis, das nicht für unbedarfte Ohren und Geister bestimmt ist.“
„Ich verspreche es.“ Nun war es Thamar, der zögerte. „Sagt mir, Ehrwürdiger – warum vertraut Ihr mir? Warum glaubt Ihr, dass dieses Geheimnis für mich bestimmt sein könnte?“
Ronlad lächelte und tätschelte ihm väterlich die Hand.
„Ich weiß, dass du mich anlügst, wenn du deinen Namen nennst, Svern von Hallime, und ich weiß, dass du mir vieles verheimlichst, wenn du von den Gründen deiner Suche und deinem bisherigen Leben sprichst. Mehr brauche ich nicht, um zu wissen, wann du die Wahrheit sagst. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Du wirst dieses Geheimnis gut hüten, und ich werde deine Geheimnisse hüten.“
Er neigte den Kopf und erhob sich. „Nimm diese Schriftstücke nicht in deine Kammer mit, sie sollten hier unten bleiben. Suche dir ein Versteck dafür, wann immer du aufhörst, an ihnen zu arbeiten. Solltest du dir Notizen machen müssen, verbrenne sie bitte, bevor du das Archiv verlässt.“ Er begegnete gelassen Thamars eindringlichem Blick und hob beruhigend die Hand.
„Vertraue mir, mein hochgeborener Freund. Wenn ich dir schaden wollte, hätte
Weitere Kostenlose Bücher