Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
stehst mir nahe, sie wird die Gelegenheit suchen, über dich an mich heranzukommen.“ Er packte Janiels Kinn, zwang ihn, zu ihm aufzuschauen. „Sie wird dich nicht töten, dafür ist sie zu klug. Aber sie wird gewiss versuchen, dich zu verführen, sei es mit magischen Trugbildern, mit falschen Versprechungen oder mit ihrem Körper. Ich verlange, dass du dich auf ihr Spiel einlässt.“ Rynwolf atmete schwer, sein Blick bohrte sich bis in Janiels Innerstes. „Ich habe dich beobachtet, du bist ein kluger, sehr geschickter Mann. Lass die Hexe glauben, sie könnte dich umdrehen! Gib dich ihr hin, wenn du sie damit ablenken oder von ihren Plänen erfahren kannst. Horche sie aus! Ich weiß, du wirst ihr standhalten, dein Glaube an Ti ist unerschütterlich.“
„Herr!“ Janiel versuchte, sich aus dem Griff des Erzpriesters zu befreien, der ihm beinahe den Kiefer brach.
„Fürchte dich nicht. Egal, was Garnith dir einreden wollte, Leidenschaft und körperliche Liebe sind keine Sünde, nur Maßlosigkeit. Ti wird dich nicht verstoßen, selbst wenn du das Zusammensein mit der Hexe genießen solltest. Lass dich davon nicht verwirren, es sind lediglich normale Bedürfnisse deines Leibes. Du wirst kaum einen älteren Geweihten finden, der unentwegt keusch lebt. Es wäre auch ein Fehler, da diese Bedürfnisse, werden sie unterdrückt, den Geist von wichtigeren Dingen ablenkt.
Richtig angewendet, kann Leidenschaft eine Waffe gegen die Hexe sein. Sie ist maßlos, völlig verdorben, und darum kannst du sie besiegen.“
Er gab Janiel frei, der keuchend in die Knie ging. „Bring dieses Opfer, Janiel. Nicht nur für mich, auch für dich selbst, für deine Brüder, für ganz Roen Orm. Es wird helfen, die Hexe zu bezwingen.“
„Ja, Herr“, wisperte Janiel und ließ sich aufhelfen. „Ich werde tun, was Ihr wünscht. Ilats Vertrauen erschleichen und mich der Hexe hingeben, sollte sie danach verlangen. Vielleicht kann ich über sie noch mehr Schwachpunkte des Königs finden.“
Er fuhr zusammen, als Rynwolf ihn in eine Umarmung zog, die seine kaum verheilten Rippen zu zermalmen drohte. „Ich wusste, du wirst all meine Erwartungen übertreffen!“, flüsterte der Erzpriester. „Nun geh. Bereite dich vor, damit du so schnell wie möglich in den Palast kannst!“
Rynwolf blickte dem jungen Geweihten nach, der beinahe im Laufschritt zur Treppe eilte.
Ob ich zu viel verlange? Bin ich zu weit gegangen? Janiel fürchtet die Hexe, möglicherweise ist er noch nicht stark genug … Aber er muss sich ihr stellen, sonst wird er nie zu Selbstvertrauen finden. Hoffentlich ist es nicht zu viel! Ich stoße ihn in die Arme dieser Schlange, die ihn gezeichnet hat, wenn er nun an mir zweifelt? Mich dafür hasst, dass ich ihm das antue? Wenn ich nur wüsste, was der Junge plant, er hintergeht mich immer noch, ich spüre es.
Rynwolf seufzte tief. Es wurde Zeit, dass er sich einen weiteren Verbündeten zulegte, und dafür kam nur ein einziger Mann in Frage.
14.
„Rache ist wie der Glühwein aus Dror: Heiß genossen bitter, aber berauschend, kalt getrunken hingegen süße Lust, die schwere Träume nach sich ziehen kann.“
Sinnspruch aus Roen Orm
„Ihr dran seid mit Reihe, Graf Orelli“, zwitscherte Inani mit hoher Stimme und ewigem Lächeln. Sie liebte es, wie der eingebildete Schönling die Nase kräuselte, wann immer sie seinen Namen verstümmelte. Natürlich durfte Graf Orel sie nicht berichtigen, die Hofetikette gab Inani unendliche Gelegenheit, diesen Mann zu quälen. Nach rund vier Wochen am Königshof hatten sich die Gemüter mittlerweile ein bisschen beruhigt. Man gewöhnte sich an die bunten, exotischen Frauen in ihrer Mitte, die lächelnd und in ihrer seltsamen Sprache plappernd gegen alle Konventionen und Traditionen verstießen. Mit vorsichtigem Schaudern nahm man hin, dass Inani beständig umgeben von Schlangen und Raubkatzen war. Niemand fiel mehr in Ohnmacht, wenn Inani ihre Leopardin bei Tisch mit rohem Fleisch fütterte, einer Dame ohne jeden ersichtlichen Grund Ohrfeigen verpasste, oder mit mörderischem Blick eine ihrer Gefolgsdamen aufforderte, einen unglücklichen Mann mit Stockschlägen zu traktieren, nur weil der etwas gesagt hatte, was Inani offenbar nicht verstand. Dabei machte die Aussprache der Prinzessin von Kashuum, wie man sie allgemein nannte, gute Fortschritte. Halb Roen Orm ahmte hingerissen ihren Akzent nach, die Art, wie sie die Worte verdrehte. Sie
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