Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
dazu deutlich älter als sie selbst. All das konnte doch nur Unsinn sein! Ledrea war verrückt, das hatte Chelsa selbst in der kurzen Zeit deutlich erkannt. Sora hatte zwar die gleiche Geschichte erzählt, aber die Fren war älter als die Berge und sicherlich auch verrückt.
Ein Irrtum. Es gibt keinen Feind, keine Prophezeiung. Nur einen Wald voller Monster.
Chelsa wandte sich von Jordre ab, bevor sie ihre Finger nicht mehr unter Kontrolle hatte und ihn tatsächlich anfasste. Es hätte ihn sicherlich wütend werden lassen. Alle waren immer wütend auf sie gewesen. Sie war die Fremde, die Nutzlose, das Liebchen der Fren.
Bestimmt wartet irgendwo ein Mädchen mit dem gleichen Namen wie ich darauf, die Welt mit ihrem hinreißenden Tanz zu retten. Ich bin keine Tänzerin.
Wie um sich ihre eigenen Gedanken zu beweisen, sprang Chelsa auf, kletterte auf einen umgestürzten Baumstamm in der Nähe und versuchte es. Keinen echten Tanz, einfach nur ein bisschen vor- und zurückbalancieren. Einen Moment später rutschte sie ab und betrachtete auf dem Boden liegend mürrisch ihre Ziegenledersandalen. Viel zu glatt, die Sohlen, ungeeignet für den Tanz. Eine hartnäckige Stimme sagte ihr, dass der berühmte magische Siegelstein wesentlich kleiner und schmaler als dieser Baum sein würde. Was erwartete man eigentlich von ihr?
Zögernd stieg Chelsa noch einmal hoch. Da war ihr alter Traum von einer Melodie, ein fernes Lied im Auge des Sturms … Mit geschlossenen Lidern stand sie da und horchte in sich hinein, suchte nach diesem Traum. Wo war es nur, ihr Lied? Einen winzigen Moment lang glaubte sie es zu fühlen, spürte, wie sich tief in ihr etwas regte – da krachte plötzlich etwas im Wald, sie schrak zusammen und verlor den Zauber des Augenblicks. Ihr schoss das Blut in die Wangen, als ihr bewusst wurde, wie lächerlich sie aussehen musste. Zum Glück hatte Jordre sie nicht gesehen! Schnell setzte sie sich wieder neben ihre beiden Führer.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Pera leise. Chelsa starrte erschrocken zu ihr hinüber, wandte dann rasch ihr Gesicht ab. Sie mochte Pera, gerade deshalb wollte sie sich nicht vor ihr blamieren.
„Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich eine treue Elfenseele in mir trage und bereit bin, bis zum letzten Atemzug gegen irgendwelche Ungeheuer zu kämpfen, um ein Volk zu retten, dessen letzte Kriegerin sich selbst geopfert hat. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Ich weiß noch nicht einmal, wohin wir jetzt gehen müssen, unsere Führerin Chyvile – Jordres Mutter – sollte eigentlich in Merpyn zu uns stoßen.“ Der niedergeschlagene Unterton zeugte davon, dass ihr die Möglichkeit, dass diese Chyvile tot sein könnte, durchaus bewusst war.
„Wir müssen nach Norden gehen“, murmelte Jordre in diesem Moment und schlug die Augen auf.
„Bist du sicher?“
Er nickte, das Gesicht fast weiß vor unterdrücktem Schmerz. „Ich habe davon geträumt, der Weg lag so klar vor mir, als hätte ich nie etwas anderes getan, als ihm zu folgen. Wir müssen zum Kreuzwegsee, um nach Arpen zu gelangen. Dort werden wir Osmege finden.“
Schweigend nickte Pera ihm zu. Chelsa wandte wieder den Blick ab. Sie war ausgeschlossen von den Entscheidungen dieser beiden. Was war Arpen? Eine Provinz? Ein Gebirge? Eine Stadt? Wie weit war es bis dorthin? Schweigend lief sie hinter ihnen her, bis Pera plötzlich zur Seite wies.
„Schaut mal, eine Segendre.“ Die junge Frau kniete vor einer unscheinbaren Pflanze nieder, ein struppiges Gewächs, dem Chelsa niemals Beachtung geschenkt hätte.
„Sie wächst nur auf gutem Boden, der nicht vergiftet ist“, flüsterte Jordre. Chelsa sah die angstvollen Blicke, die diese beiden tauschten und verstand: offenbar war dies Wissen, das sie bislang nicht besessen hatten.
Wenn ich mich auch erinnern könnte, wäre ich nicht mehr so nutzlos. Aber ich bin ja zu jung!
„Kommt, wir trinken nur kurz und dann weiter nach Norden“, entschied Pera und lächelte Chelsa zu. Es war ein gequältes Lächeln.
Sie haben solche Angst, genau wie ich. Es ist einfach Wahnsinn …
25.
„ Führt der alte Weg nicht zum Ziel, wähle einen neuen. Zur Not erschaffe einen Pfad, wenn keiner dorthin führt, wohin du gehen musst.“
Sinnspruch der Nola
Inani wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie sich mühsam aufrichtete, da alle Tränen versiegt waren. Der Sturm hatte sich gelegt, alle magischen Unruhen hatten sich verflüchtigt. Überall
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