Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
sind keine alten Geschichten, nicht für mich“, sagte er atemlos keuchend. „Du hättest mich töten können, und es wäre zumindest im Sinne des Gesetzes in Ordnung gewesen. Du hättest mich vorher ein bisschen verhöhnen oder zusammenschlagen können, das hätte mich wohl kaum als Rachegeist zurückgebracht. Aber du hast mich wochenlang gefoltert und gelacht, als ich um den Tod bettelte!“ Thamar holte aus, schlug Ilat hart die Faust ins Gesicht. „Wie viele außer mir hast du noch in diesem Verlies ausbluten lassen? An wie vielen Schreien hast du dich ergötzt, wie viele Tränen verlacht? Wie viele junge Frauen hast du in dein Bett gezwungen, sie an Leib und Leben zerstört? Ja, ich weiß, in letzter Zeit bist du friedfertiger geworden, beherrschter. Nicht mehr das Monster, sondern auch ein Mensch. Aber das macht deine Taten nicht ungeschehen.“
„Dann töte mich doch! Na los! Oder willst du vorher rasch mit mir spielen?“
Thamar hob das Schwert, hielt es stoßbereit. Unzählige Male hatte er sich vorgestellt, was er sagen, was er tun würde, wenn er diese Gelegenheit bekäme. Nun erinnerte er sich an kein einziges Wort. Gebannt blickte er in das Gesicht seines Bruders, in dem Hass, Wut, Schmerz, Angst und Erleichterung miteinander rangen. Dies war kein Traum.
„Bring es zu Ende, kleiner Bruder. Es ist besser für alle!“
Thamar hörte das Blut in den Ohren rauschen. Ein Teil von ihm wollte Ilat in die Arme schließen und all das beweinen, was das Leben ihnen beiden angetan hatte. Ein anderer Teil wollte diese hassenswerte Kreatur auslöschen. Er packte das Heft seines Schwertes mit festem Griff und atmete tief durch, suchte nach der richtigen Entscheidung.
Niemand der atemlos beobachtenden Männer, die im Kreis um beide Königssöhne von Roen Orm standen, beachtete die Elfe, die still wie ein Windhauch zwischen ihnen hindurch schritt.
~*~
„Sag es mir, Inani, warum kämpfen wir eigentlich immer gegeneinander, sobald wir uns begegnen?“, rief Cero angestrengt, während er ihren rasenden Hieben Hexe auszuweichen versuchte.
„Egal, wie der heutige Tag endet, Roen Orm braucht dich. Wir Hexen werden wieder im Untergrund verschwinden, wo wir uns am wohlsten fühlen. Du allerdings, Cero, sollst weiter im Licht stehen. Kämpfe! Zeig, dass du nicht auf der Seite der Pya-Töchter bist, jeder wird dir nur zu gerne glauben wollen!“
Inani focht mit zwei seltsamen, unterarmlangen Dolchen, die so stark gekrümmt waren, dass man sie beinahe mit Sicheln verwechseln könnte. Die Reichweite dieser Waffen war gering, aber Cero hatte längst zu spüren bekommen, wie hart und wie unglaublich scharf sie waren.
„Was sind das nur für Dinger?“, dachte er atemlos, bevor er sich einmal mehr in Sicherheit bringen musste. Dabei fiel ihm auf, dass viele Priester und Hexen die Kämpfe eingestellt hatten, um ihnen beiden zusehen zu können.
„Ein Geschenk eines sehr weisen Priesters aus dem Waldgebirge. Er nannte sie Katzenkrallen und meinte, sie wären wie geschaffen für mich. Sie sind so hart, dass sie kaum jemals zerbrechen, und so scharf, sie
gehen durch fast jeden Körper.“
„Ich stimme zu, sie sind ideal für dich …“
Cero schrie auf, als er einen weiteren Treffer am Oberarm hinnehmen musste.
„Ist das meine Strafe dafür, dass ich so viel Unglück über dich gebracht habe?“
„Nein, Cero. Oder nun, ein wenig vielleicht … Es ist nicht deine Schuld, du hast nichts weiter getan, als durch eine Tür zu schreiten und dich von dem, was du dort gesehen hast, überfordert zu fühlen.“
Inani duckte sich unter mehreren hohen Schlägen ihres Gegners, brachte sich vor der Reichweite seines Schwertes in Sicherheit.
„Meine Schwestern haben deine Leute mittlerweile in sicherer Verwahrung. Darf ich den Kampf beenden?“
„Schon wieder eine unrühmliche Niederlage?“
„Ich kann dir den Sieg nicht lassen, Cero, zu viel steht auf dem Spiel!“
„Dann nur zu! Diesmal aber bitte keine magische Attacke, wenn es geht. Ich würde gerne bei Bewusstsein bleiben und miterleben, wie alles endet.“
Nur zwei Herzschläge später war Cero entwaffnet und wurde von mehreren Hexen gefesselt, während Inani davonrannte. Cero nahm ihre letzten Gedanken noch wahr, bevor sie die Bindung zu ihm löste: Inani musste sich eilen. Sie spürte, ihr Liebster war in Bedrängnis.
~*~
Rynwolf und Janiel hatten sich weit vom Hauptfeld entfernt. Janiel zögerte, seinem einstigen Mentor und Führer zu
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