Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
Vom Netzwerk:
Sie angenehme Gesellschaft. Das ist das Einzige, worum ich Sie beneide.«
    Die Anni kommt aus der Küche, wirft noch einen gewohnheitsmäßigen Blick ins Gewächshaus, und weg sind sie.
    Ein weiterer Tag allein mit dem Jens steht mir bevor. Gestern zeigte er keinerlei Interesse an mir. Hoffentlich kommt er heute nicht auf dumme Gedanken. Obwohl mir nichts einfällt, was man bei mir noch groß wegschneiden könnte außer meinem letzten Blattbüschel. Bisher lässt er sich aber nicht blicken. Sonderbar. Früher konnte er sich kaum bremsen, doch seit dem Tod vom Sepp ist er wie gelähmt. Kommt morgens kaum aus dem Bett. Bleibt mitten im Gießen mit der Brause in der Hand stehen und stiert vor sich hin, bis die armen Wasserbegonien fast absaufen. Hat sich gestern nicht mal die Mühe gemacht, den Giftschrank abzuschließen. Wenn das die Gewerbeaufsicht spitzkriegt!
    Jetzt scheint er endlich das Frühstück beendet zu haben. Ich höre seine Schritte in der Einfahrt. Leiser als sonst, als ob er auf Zehenspitzen schleichen würde. Er betritt das Gewächshaus.
    Im selben Augenblick geht drinnen ein Höllenlärm los. »Da ist ja der elegante Herr Sprenger wieder!«, kreischen die Wasserbegonien, als ob ein Filmstar zum Verteilen von Autogrammen erschienen wäre. Alle reden aufgeregt durcheinander.
    »Und was macht der elegante Herr Sprenger im Gewächshaus?«, frage ich dazwischen.
    Es dauert eine ganze Weile, bis mir die Wasserbegonien antworten. »Er beachtet uns gar nicht, sondern kruschtelt an der Kasse herum«, geben sie enttäuscht zu.
    Der Sprenger will die Gärtnereikasse ausrauben? Das hat er doch wohl nicht nötig. Außerdem könnte er sich denken, dass sie jeden Abend geleert wird.
    »Was genau meint ihr mit ›kruschteln‹?«
    »Wir können nichts sehen, er dreht uns den Rücken zu. Jetzt guckt er herum, als ob er etwas suchen würde, und geht zum Giftschrank hinüber. Die Schranktür steht einen Spalt offen. Er macht sie ganz auf.«
    So rächt sich die Schlamperei vom Jens. »Und was tut er am Giftschrank?«, möchte ich unbedingt erfahren.
    »Das wissen wir nicht. Er steht direkt davor und verdeckt alles.«
    Will der Sprenger jetzt auch noch jemanden vergiften, nachdem er wahrscheinlich schon den Sepp erschlagen hat? Sich an seiner Frau für das zurückgezogene Alibi rächen? Oder den Buchenwalder wegen der Urkunden aus dem Weg räumen? Aber er kann doch gar nicht wissen, dass ihn die Polizei damit in Zusammenhang bringt. Erst recht konnte er nicht wissen, dass er den Giftschrank offen vorfinden würde. Ich werde aus seinem Benehmen überhaupt nicht schlau.
    Bevor ihm die Wasserbegonien auf die Finger schauen können, drückt der Sprenger den Giftschrank zu und verlässt die Gärtnerei. Ich höre die Gewächshaustüre, die die Anni vorhin angelehnt gelassen hat, leise quietschen. Dann wird es wieder still.
    Einige Zeit später erscheint der Jens und geht ganz normal seiner Arbeit nach. Außer dass er zwischendurch Löcher in die Luft starrt. Von Sprengers Besuch scheint er nichts bemerkt zu haben. Gegen Mittag schließt er den Giftschrank doch noch ab, ohne hineinzugucken. Zu spät.
    Der Tag ist ja spannend losgegangen. Aber ich fürchte, jetzt wird es wieder ziemlich langweilig. Vielleicht sollte ich die Zeit nutzen, um mich bei den Reindlfinger Pflanzen ein bisschen umzuhören.
    Zuerst befrage ich die Linden. Sie sind ja durch ihren strategisch günstigen Standort unsere Top-Informantinnen. Das Gespräch zwischen dem Sepp und dem Eisinger am Donnerstag haben sie natürlich auch mitgehört. Danach stapfte der Sepp schnurstracks in den »Löwen«. Der Eisinger stand noch eine Weile wütend herum, bevor auch er gegangen ist. Aber dort, wo er hätte zielstrebig nach Hause eilen sollen, ist er stattdessen in Richtung Gärtnerei abgebogen, und die Linden haben ihn aus den Augen verloren. Zwischen dem Anger und der Gärtnerei steht kein einziger Baum. Nicht mal eine Balkonpflanze gibt es dort. Nur ein paar verkümmerte Gräser vegetieren im Winkel zwischen Bordstein und Asphalt vor sich hin. Man möchte meinen, dass man von den Gräsern am meisten erfährt. Die wachsen ja fast überall. Aber mal ehrlich, was Gräser so zu erzählen haben, das ist nicht viel wert. Sie sind ein bisschen naiv. Man könnte sogar sagen: dümmlich. Weil sie kurz gehalten werden, denken sie eben auch ein bisschen kurz. Mit ein paar Ausnahmen wie dem Pampasgras und dem Chinaschilf.
    »Jaja, hier sind Menschen hin- und hergegangen.« Das ist

Weitere Kostenlose Bücher