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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
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außer den beiden war weit und breit niemand zu sehen.«
    »Und du hast wirklich überhaupt nichts verstanden?«, hake ich nach.
    Aber der Ahorn ist nicht mehr ansprechbar. Er murmelt ganz entrückt Bibelverse vor sich hin.
    Danach versuche ich es bei Berglmaiers Hofbuche. Sie wurde immer gut durch verlorenen Mist und ausgelaufene Gülle genährt. In ihren hundertfünfzig Jahren hat sie sich sehr stattlich entwickelt. Ihre Stimme ist so laut, dass sie sämtliche Angerlinden übertönen kann, selbst wenn die alle gleichzeitig reden. Aber sie macht nur selten davon Gebrauch. Die Hofbuche mag es eher beschaulich. Schon die wenigen Touristen, die im Sommer gelegentlich auf eine zünftige bayrische Brotzeit vorbeikommen, sind ihr oft zu viel. Deshalb ist sie jetzt ganz aufgeregt.
    »In letzter Zeit herrscht hier ein Verkehr wie am Stachus. Neulich ist einer mitten in der Nacht mit dem Auto durch den Hof gerast. Bloß um ein Haar hat er mich verfehlt! Und lauter fremde Leute. So einer mit Karohemd.«
    Also Entschuldigung, ein einziges fremdes Auto und ein einziger fremder Fußgänger sind für mich noch kein Verkehr »wie am Stachus«. Ich war zwar noch nie dort und werde wohl in meinem Leben auch nie hinkommen, aber glaubt man den Menschen, muss es dort ziemlich zugehen. Also mindestens zehn Autos und zehn Fußgänger. Ich verkneife mir die Bemerkung, um die Buche nicht zu kränken, und frage stattdessen: »Wann war ›neulich‹?«
    »Na, so vor einer Woche etwa. Und der Karierte war vorgestern da.«
    »Und wer war’s, der dich fast umgefahren hat?«
    »Umgefahren? Ha! Das hätte er versuchen sollen! Da hätte ich aus ihm und seinem Auto eine zusammengepackte Ziehharmonika gemacht. Gesehen hab ich den nicht. Kann auch eine Frau gewesen sein. Die Birgit fährt manchmal wie eine gesengte Sau, aber ihr Auto war’s nicht, sondern eine richtige Nobelkarosse, das hab ich selbst bei dem spärlichen Nachtlicht im Hof erkannt.«
    »Mit oder ohne Dach?«
    »Mit Dach. Sonst hätte ich ja reingucken können.«
    Aha. Das war sicher der Sprenger in seinem BMW . Oder doch die Lohberg? Bei ihrem Cabrio kann man ja das Dach hochziehen. Oder vielleicht ein Unbekannter?
    Spätabends trudelt die Anni todmüde wieder ein. Sie zieht eine Miene, dass der Jens gar nicht zu fragen braucht, ob sie etwas gefunden hat.

Elf
    Der Stuhlinger steht am Donnerstag kurz vor Mittag wieder zwischen den Rosenreihen und starrt in die melancholische Blüte der »Deuil de Paul Fontaine«, die alle Trauer ihres Namens derzeit voll auslebt. Auch der Polizist scheint eher gedämpfter Stimmung zu sein. Das harmonische Bild wird dadurch gestört, dass sich von links die Berta hineinschiebt. Sie schaut sich konspirativ um, ob ihr auch keiner gefolgt ist.
    »’tschuldigen Sie, Herr Kommissar …«
    Der Stuhlinger schrickt zusammen und starrt anstatt der Rose die Berta griesgrämig an. »Kriminaloberkommissar«, korrigiert er.
    Auweia, der hat heute schlechte Laune.
    »Freilich … Herr Kriminaloberkommissar … ich muss Ihnen unbedingt was sagen. Also, ich weiß nicht, ob es viel zu bedeuten hat. Irgendwie kam’s mir komisch vor. Wahrscheinlich ist’s ganz unwichtig.«
    Der Stuhlinger merkt natürlich gleich, dass die Berta darauf brennt, ihre Neuigkeit loszuwerden. Doch sie will darum gebeten werden. Ein guter Ermittler sollte in solchen Fällen den Wünschen der Kundschaft entgegenkommen, finde ich. Nicht so, wie der Sepp es immer gemacht hat. Ich versuche, den Stuhlinger durch eindeutige Emissionen zu mehr Freundlichkeit zu bewegen. Anscheinend ist es mir gelungen. Vielleicht ist er aber auch von allein zu dem Entschluss gekommen, seine miese Stimmung zu unterdrücken und die Berta zu ermuntern: »Das kann man nie sagen. Manchmal erweisen sich gerade kleine Details als entscheidend. Bitte, ich bin ganz Ohr.«
    »Also, ich saß am Dienstag im Friseursalon. Der hat eine Glasfront, durch die man fast den ganzen Anger überschauen kann. Und da seh ich den Herrn Pfarrer, wie er langsam auf den öffentlichen Abfalleimer zugeht, als ob er zum Café wollte. Er macht den Deckel auf und wirft was hinein. Da habe ich mir gedacht: Wieso wirft der Herr Pfarrer seinen Abfall in den öffentlichen Mülleimer? Der hat doch seine eigenen Tonnen im Hof, mit Wertstoff und so weiter. Während ich das denke, ist er weiter in Richtung Café. Dort konnte ich ihn nicht mehr sehen, weil, das ist ja in der gleichen Häuserreihe. Nach siebzehn Minuten, da habe ich zufällig gerade

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