Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol
gesteckt?«
»Nirgends. Was gibt’s zum Abendessen?«
»Beef Stroganoff.«
»Wollte Dad das als Geburtstagsessen?«
»Ich habe ihn heute nicht erreicht, aber ich weiß, dass er das mag.«
Ma lächelt, verweilt einen Moment vor mir und geht dann wieder in die Küche. Die Fenster haben neue Jalousien.
Ich gehe auf mein Zimmer, Einzelbett, Poster von Comic-Helden, Rappern und Videospielfiguren. An der Schranktür kleben immer noch die Sticker aus meiner Kindheit. Ma hat sauber gemacht, alles ist ordentlich und gefaltet. Ich hänge mein Handy ans Netz und werfe mein Portemonnaie auf den Schreibtisch.
Ma schaut sich Glücksrad an, während sie durchs Haus schwebt, sie riecht gleichzeitig nach gebratenem Fleisch und Putzmittel.
»Wo steckt Dad?«, rufe ich ihr zu.
»Auf dem Weg hierher, er müsste in fünf Minuten da sein.«
»Ist er sauer auf mich wegen dieser Geschichte mit der Schule?«
»Ich glaube nicht. Er hat’s jedenfalls nicht erwähnt.«
Ich gehe raus, um dem Hund Hallo zu sagen, fahre ihm über seinen dicken Schädel und kraule ihn hinter den Ohren.
»Na, wie geht’s, alter Junge?«
Dad kommt nach Hause, Computertasche und Jacke über dem Arm, knallt die Tür hinter sich zu. Er sieht mich auf der Couch sitzen, sagt aber nichts, sondern geht ins angrenzende Zimmer. Ma trägt das Abendessen auf, wir setzen uns. Dad vermatscht sein Essen mit der Gabel, und als Ma ihn nach der Arbeit fragt, sagt er: »Bitte nicht, ich möchte mal zehn Minuten nicht über die Arbeit nachdenken müssen.«
»Ist das Stroganoff okay?«, fragt Ma.
»Doch, gut, ja danke«, erwidert Dad, dann zu mir gewandt: »Dein Lehrer hat angerufen, du hast eine Unterrichtseinheit verpasst.«
Ma antwortet für mich: »Wegen der Zugverspätung. Es gibt zurzeit ja so viele Verspätungen und Ausfälle.« Als fragte sie sich tatsächlich: Warum nur?
»Kannst du dich in Zukunft ein bisschen mehr anstrengen?«, fragt Dad und starrt dabei auf seinen Teller. Er isst schneller als ich. Sein ausdünnendes Haar lässt immer mehr von seiner glänzenden Kopfhaut durchscheinen. Ich nicke ihm zu, den Mund voller Rindfleisch.
»Er macht sich gut, hat neue Freunde gefunden, nicht wahr?« Ma lächelt mich an.
Just in diesem Augenblick sind Uncle und Thorley irgendwo da draußen in den Straßen und besorgen Drogen. Danach geht’s weiter in die Clubs. Die Stroboskopblitze, die die Gesichter der Mädchen erleuchten, die in der Dunkelheit tanzen. Die Hüften schwingen. Die Titten. Thorley und Uncle, die die Szenerie scannen. Ihre Opfer auswählen. Sie in die Wohnung bringen. Sie ausziehen. Ich muss hier raus.
»Mehr anstrengen?«, frage ich. Ma schaut mich ernst an. Schüttelt wissend den Kopf, sie kennt diesen Ton bei mir. »Was könnte ich tun?«
Dad sieht von seinem Teller auf. »Wir zahlen eine Menge Geld, um dich auf diese Schule zu schicken.«
»Er ist in Ordnung, er macht sich gut.« Ma legt Dad eine Hand auf die Schulter.
Dad zeigt mit seiner fleischbestückten Gabel auf mich und sagt: »Also vermassel es nicht.«
»Ach fick dich«, fahre ich ihn an, und Ma schüttelt jetzt heftig den Kopf. »Du glaubst mir das nicht mit dem Zug?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich dir nicht …«
»Doch, das tust du, Dad. Du glaubst mir nicht. Ich hab ein paar Fehler gemacht, aber jetzt an der neuen Schule komme ich klar, aber du kannst es nicht gut sein lassen.«
Dad schaut mich an, weiß nicht, was er sagen soll. Ma schüttelt immer noch den Kopf, ihre Augen flehen mich an aufzuhören.
Ich stehe auf, mit dem Fuß stoße ich den Stuhl gegen die Wand. »Und du wunderst dich, warum ich kaum noch herkomme, Ma?« Ich gehe auf mein Zimmer, hole mein Handy, mein Portemonnaie, meine Jacke. Ma steht im Türrahmen.
»Gehst du noch weg?« Ich gebe keine Antwort. »Dein Dad hat im Moment ziemlich viel Stress, warum versuchen wir nicht uns alle zu beruhigen und …«
Doch in Gedanken bin ich längst in der City. Ich gehe an ihr vorbei zur Diele. Als ich am Esszimmer vorbeikomme, sitzt Dad allein am Tisch, die Ellbogen auf die Platte gestützt, die Hände gefaltet. Ma holt mich ein, verstellt mir den Weg. Sie fühlt
sich unbehaglich, weiß nicht recht, wie sie es sagen soll.
»Bitte geh nicht.«
Ich starre sie nieder. Wortlos.
Sie senkt den Blick, bewegt tonlos die Lippen. Dann sieht sie mir wieder in die Augen. »Ich liebe dich, okay?«, sagt Ma und hebt eine Hand und nickt, als wolle sie sagen: »Das ist alles.« Dann geht sie durch den Flur
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