Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
haben.«
Sie leckte sich Sahnereste aus den Mundwinkeln und nickte zustimmend.
»Er hat mir beigebracht, wie man in der Schule bessere Aufsätze schreibt. Obwohl er so schlecht bezahlt wurde. Das hat er immer wieder gesagt.«
»Eigentlich hätte er reich sein müssen. Aber so ist das eben. Die Besten werden oft schlecht bezahlt, weil sie die Unabhängigkeit lieben und sich nicht binden wollen.«
Ich erzählte immer dümmeres Zeug, aber sie wollte es glauben, und so wurde es für sie zur Wahrheit.
»Ja, er wollte ganz frei sein. Das hat er gesagt.«
»Womit hat er sich denn in der letzten Zeit beschäftigt? Hat er dir etwas erzählt?«
»Hat er dir denn nichts erzählt?« Ich lachte kurz auf, um unsere Vertrautheit anzudeuten, denn wir hatten ja dasselbe Idol. Für sie war es der geliebte Papa, für mich der beste Freund.
»Er konnte manchmal etwas geheimnisvoll tun. Du weißt ja, wie das ist, wenn man an einer wichtigen Sache arbeitet, will man nicht darüber sprechen, bevor man nicht selbst Klarheit hat. Außerdem kann man sich ja auch mal verkrachen.«
Sie konnte natürlich nicht wissen, wie das ist, aber es klang so richtig erwachsen, und sie nickte unbewußt. Nun also auch noch diese Tour. Hassel, was warst du doch für ein cleverer Fuchs!
»Aber bei einer Tochter ist das ja etwas anderes.«
Was ich damit meinte, ließ ich offen.
Sie leckte die Gabel ab.
»Mir hat Papa auch nicht alles gesagt. Er hat an einer großen Sache gearbeitet und mir ein Reitpferd versprochen. Verdammt, ein eigenes Pferd – das wäre etwas!«
»Ich weiß. Das mit dem Pferd für dich, das hat er mir erzählt. Und sonst hat er nichts gesagt über seinen letzten Job?«
»Ich weiß nicht recht … Er sagte, ich solle Lehren aus der Geschichte ziehen. Ich habe keine Ahnung, was er damit meinte, aber er sagte, es sei wichtig.«
Das klang kryptisch. Ich wartete auf eine Fortsetzung.
Wohlerzogen hielt sie die Hand vor den Mund, als sie wegen der kohlensäurehaltigen Limonade aufstoßen mußte.
»Ja, das hat er gesagt. Und, daß ich mich vor … ja … Demonten in acht nehmen soll. Glaube ich.«
»Hat er vielleicht Dämonen gesagt?«
»Genau, so hieß das. Die neuen Dämonen. Was ist das?«
»Eine Art Geister. Vor denen hatte er Angst. Man soll ihnen aus dem Weg gehen.«
Sie grübelte intensiv, um mir, dem netten Onkel Roland, zu helfen. Ich zeigte die ganze Zeit mein nettestes Grinsen.
»Papa erzählte immer so viel, aber nie über das, womit er sich gerade beschäftigte. Als wir uns zum letztenmal trafen … war er so anders. Er umarmte mich und versprach mir dieses Pferd.
Aber … verdammt, wie war das noch mal … er hat noch etwas ganz Komisches gesagt … eigentlich gar nicht zu mir, sondern wie zu sich selbst, obwohl ich ja da war …«
Sie starrte zur Decke und konzentrierte sich.
»Gubben Loss lebt immer noch und hat viele Kinder bekommen. Das hat er gesagt. Er wollte nicht darüber sprechen, als ich ihn fragte, was das bedeuten sollte, sondern wiederholte, was er über die Demonten … Dämonen erzählt hatte.«
»Gubben Loss?« fragte ich ungläubig.
»Mm. Oh, verdammt … Mutti geht die Wand hoch, wenn ich nicht bald nach Hause komme. Tschüs dann. Vielen Dank für den Kuchen.«
Im nächsten Augenblick war sie verschwunden und rannte mit dem Magen voller Sahne und Marzipan der Markknochensuppe und dem frischen Leitungswasser entgegen. Das Wenige, was sie mir berichten konnte, stimmte mit unseren Vermutungen Karsten betreffend überein, aber wer war der Dämon Loss? Wir würden wohl irgendeinen Universitätswissenschaftler oder Ingmar Bergman befragen müssen.
Als ich nach Spanga kam, wurde ich von einer wilden Kinderschar rücksichtslos zu Boden gerissen, bis Simon mich befreite und in eine etwas friedvollere Ecke der Zweieinhalbraumwohnung führte.
»Geht das hier jeden Tag so zu?« keuchte ich. Er lächelte stolz.
»Ja ja. Hier ist immer was los. Viele Kinder soll man haben, und eng muß es sein. So habe ich es von Nadja gelernt, und sie hat vollkommen recht.«
Ich erzählte ihm von meinen Begegnungen mit den Frauen in Karstens Leben.
Gewiß, ich war eigentlich zum Essen eingeladen, aber uns Polizisten geht es wie den superreichen Finanzbossen: business before pleasure. Den Gubben Loss kannte er auch nicht, versprach aber, Öhman mit der Sache zu betrauen, und wenn es diesen Gubben Loss jemals gegeben hatte, dann würde Öhman uns Eltern, Kinder, Ehefrauen, Geliebte, Freunde, besondere Kennzeichen,
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