Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
für einige Sekunden die Besinnung raubte, so daß ich die Frau nicht mehr halten konnte. Sie riß sich los und trat nach mir. Da sie barfuß war, mußte es ihr mehr weh tun als mir. Der Mann versetzte mir weitere Faustschläge, so daß ich gegen die Rezeption taumelte. Dann flohen sie in Richtung Ausgang. Der Portier starrte ihnen mit offenem Mund hinterher.
»Das wirst du noch bereuen!« schrie sie mir noch zu. »Und wie du das bereuen wirst!«
Da ich sie schlecht auf der Straße verfolgen konnte, nahm ich dem Portier den Telefonhörer aus der Hand.
»Hallo, mit wem spreche ich?« erkundigte ich mich.
»Sven Aronsson. Ich bin …«
»Hier Roland Hassel von der Fahndungsabteilung. Ist dir mein Name ein Begriff?«
»Ja. Bei dir haben sie doch …«
»Richtig. Gib Alarm. Eine Frau, fast unbekleidet, ist aus dem Hotel geflohen, in dem ich wohne.«
Ich gab ihm die Adresse.
»Sie ist mit einem Mann zusammen, den ich nicht näher beschreiben kann. Vielleicht hat er ein Auto in der Nähe. Sie hat mit dem Mord an Karsten Lund zu tun, er vermutlich auch. In meinem Zimmer befinden sich noch ihre Kleider und möglicherweise eine Handtasche. Schickt jemanden vorbei, der die Sachen abholt. Das kann wichtige Spuren geben. Schneller als der Blitz ist zu langsam.«
Ein älteres Paar betrat den Empfang, gerade als ich den Hörer auflegte. Sie erblickten mich, sahen sich an und schauten dann wieder auf mich. Der Portier händigte ihnen den Schlüssel aus, ohne sie überhaupt anzusehen. Ihm war offensichtlich nicht ganz wohl in seiner Haut. Das Paar nahm den Fahrstuhl, und aus ihren halblauten Kommentaren konnte ich schließen, daß sie das Hotel nicht länger als respektabel ansahen.
»Sie kam herein und behauptete, sie sei deine Frau«, begann der Portier seine Verteidigungsrede.
Ich beugte mich vor, packte ihn an den Aufschlägen seiner Jacke und zog ihn über den Tisch, bis ich ihm direkt in die Augen sehen konnte.
»Du hast deinen Job schlecht versehen, und ich werde dafür sorgen, daß du entlassen wirst«, sagte ich.
»Das war nicht meine Schuld«, jammerte er.
»Es war deine Schuld, und das kommt in deine Unterlagen.«
»Aber lieber Herr Hassel, sie hatte doch einen Ausweis!«
»Wie genau hast du dir den denn angesehen?«
»Genau und genau … Ich bin natürlich davon ausgegangen, daß sie es war. Warum auch nicht?«
»Weil es zu deinem Beruf gehört, nicht davon auszugehen. Ich werde dich melden, und wenn es eine Möglichkeit gibt, dich anzuklagen, dann wird das auch geschehen. Wenn in ein paar Minuten die Polizei kommt, um ihre Sachen abzuholen, dann sollst du zur Hölle fahren, wenn du nicht ihre Legitimationen mit Lupe und Mikroskop untersuchst.«
Ich ließ ihn los und schleppte mich auf mein Zimmer. Die Tür stand halb offen, und ich zog sie hinter mir zu, ohne abzuschließen. Jetzt nahm ich den Duft ihres Parfüms wie einen Gruß aus den Pariser Kloaken wahr, und ich riß das Fenster auf.
Dann hockte ich mich hin und schaute unter das Bett. Dort lagen ihre Kleider und eine kleine Handtasche. Ich hütete mich, irgend etwas zu berühren. Als ich auf dem Bett lag, spürte ich, daß der Wutausbruch mir die letzten Kraftreserven abgefordert hatte. Mein Körper schien eine Symbiose mit der Matratze einzugehen.
Das Ganze wirkte so sonderbar unwirklich, als wäre ich eingedöst und hätte alles nur geträumt. Warum war ich so furchtbar wütend geworden?
Vielleicht, weil es mich gekränkt hatte, daß man mich so unterschätzte; weil man mir offenbar zutraute, daß ich auf so billige Tricks hereinfiel. Eine moderne Mata Hari, deren Verführungskünste den trotteligen Polizisten dazu bringen sollten, alle seine Geheimnisse in ihre zarten Ohrmuscheln zu flüstern.
Nun denn. Es war ja schließlich ein Verfahren, das zwar simpel und uralt war, aber dennoch als effektiv galt und von Geheimdiensten weltweit angewendet wurde. Eine schöne Frau bleibt eben eine schöne Frau, und es gibt genug Holzköpfe, die ahnungslos ihre ganze Zukunft für ein horizontales Abenteuer aufs Spiel setzen. Auch in meinem Leben hatte es einmal Zeiten gegeben, da wäre mir in der Situation das Wasser im Mund zusammengelaufen. Aber das war lange her, und die Umstände waren andere gewesen.
Jetzt gab es Virena, und es gab Elin. Ich hatte solche Angst, sie zu verlieren, daß ich schon eine Gänsehaut bekam, wenn ich nur daran dachte. Jemand versuchte mit Hilfe dieser Kloaken-Mata Hari, einen Keil zwischen uns zu treiben und das einzige
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