Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Titel: Roland Hassel - 07 - Wiedergänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
Vom Netzwerk:
Ponyfransen hindurch an.
    »Hast du auf mich gewartet?« fragte ich.
    »Hier kann mich Mutti vom Fenster aus nicht sehen.«
    »Willst du mit mir reden?«
    »Ja. Du kannst mich ja auf ein Stück Kuchen einladen.«
    »Zu Hause gibt es Essen, in exakt vierundvierzig Minuten.«
    »Ich will ein Stück Kuchen.«
    »Okay, wie du willst. Es ist gewiß nicht gut für meinen Ruf, wenn man mich bei Kuchenfreßorgien mit jungen und hübschen Mädchen sieht, aber ich gehe das Risiko ein.«
    Sie lächelte nicht einmal – wer sollte auch über so einen Blödsinn lachen? Aber ich war überrascht gewesen und hatte von mir gegeben, was mir gerade auf der Zunge lag.
    In Atlas gab es kein geeignetes Café, und so stiegen wir Seite an Seite die Treppen zur St. Eriksgatan hinauf. Wir überquerten die Brücke in Richtung Kungsholmen. Sie war ganz in Gedanken versunken, und ich widerstand der Versuchung, von all meinen Kindheitserinnerungen an diese Gegend zu faseln. Die wären für sie so interessant gewesen wie ein Bericht über das Stockholmer Blutbad von 1520. Was kümmerte sie das Kino Strand, wo immer die spannendsten Western liefen, oder die Konditorei, wo man aus einer kleinen persönlichen Jukebox an jedem Tisch die neuesten Platten hören konnte, und jede Single kostete fünfundzwanzig Öre, oder die alte Baracke mit dem Keller, wo man …
    »Thelins hat gutes Gebäck«, verriet sie.
    Wir überquerten die Straße. Ja, dort hatte das Kino Metropol gestanden, wo man Filme für Erwachsene sehen konnte, ohne eine Kontrolle befürchten zu müssen, wo der Kartenabreißer wegsah, wenn man ihm eine Krone in die Hand drückte. In der Ecke stand immer Vicke und verkaufte Blumen, die er am selben Tag vom Friedhof gestohlen hatte, und …
    »Wir gehen über die Fleminggatan«, erklärte sie mir.
    In der Konditorei suchte sie sich ein enormes Sahnetörtchen und ein ebenso großes Stück Marzipankuchen aus und bestellte eine Limonade, während ich mich mit einer Tasse Kaffee begnügte. Als ich bezahlte, hätte ich ihr erzählen können, daß ich für diese Summe im nahegelegenen Kronobergskällare früher ein ganzes Menü für zwei Personen inklusive Drinks bekam. Aber das hätte sie wohl auch nicht sonderlich interessiert.
    »Wenn du jetzt soviel ißt, hast du nachher zu Hause gar keinen Appetit mehr.«
    »Mutti weiß schon, daß ich zu Hause kaum etwas esse.«
    Hingebungsvoll widmete sie sich der Sahne und dem Marzipan. Sie wirkte erfahrener als eine gewöhnliche Zwölfjährige, die bei ihrer Mutter zu Hause wohnt. Die Zwölfjährigen allerdings, mit denen ich beruflich zu tun hatte, waren uralt. Viele von ihnen hatten schon alles gesehen, gehört und getan, und so blieb ihnen nur noch, die Zeit bis zur Rente hinter sich zu bringen.
    Vor knapp einem Monat hatte ich einen Achtjährigen aufgegriffen, der noch arglose Sozialassistenten in die Ausdrucksformen des Bösen hätte einführen können.
    »Du hast das Wort«, ermunterte ich sie.
    Sie leckte sorgfältig den Löffel ab und fischte eine Zigarette aus der Jackentasche. Ich blies ihr das Feuerzeug aus.
    »Was soll das?« zischte sie aufgebracht.
    »Idiot!«
    »Was ist denn los? Darf man nicht mal eine rauchen? Das geht dich doch wohl gar nichts an.«
    »Du stirbst an Krebs, bevor du vierzig Jahre alt bist. Ich will deinen Lungen gern noch eine kleine Chance geben.«
    Langsam stopfte sie ihre Rauchutensilien wieder in die Tasche der dünnen Jacke.
    »Vielleicht sollte ich wirklich aufhören«, sagte sie leise, »aber es schmeckt eben so gut nach dem Essen.«
    Inzwischen fingen also die Mädchen mit dem Rauchen an. Die Jungen hielten sich eher zurück. Vielleicht gehört es zum langen weiblichen Emanzipationsprozeß, daß man sich ebenso dumm benehmen muß wie der Mann. Vom moralischen Standpunkt her wollte ich mich nicht äußern, aber wer einmal die Obduktion eines starken Rauchers mitgemacht hat, muß taub und blind und geistig minderbemittelt sein, um keine Lehren daraus zu ziehen.
    Was moralische Standpunkte anging, war ich übrigens generell nicht kompetent.
    »Wie gesagt, du hast das Wort und jede Menge Redezeit.«
    »Ich habe gehört, worüber du mit Mutti gesprochen hast. Daß du Papa gefunden hast, als … als …« Tränen stiegen ihr in die Augen und rollten über ihr blasses Gesicht.
    »Ja, so war es. Hast du ihn gemocht?«
    Sie nickte und wischte sich das Gesicht mit der Serviette ab.
    »Er war immer gut zu mir. Was konnte er für Geschichten erzählen! Er war … wenn du

Weitere Kostenlose Bücher