Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
freute sich über mein Interesse, aber es war sogar am Telefon zu merken, daß er Angst hatte. Dann verging einige Zeit, und ich hörte nichts mehr von ihm, bis ich in der Zeitung las, daß er ermordet wurde.
Schrecklich! Aber nicht überraschend. Er war einen gefährlichen Weg gegangen. Irgendwie muß er enttarnt worden sein, und damit war sein Schicksal besiegelt.«
Sandra Ryan drückte auf einen anderen Knopf. Der Drucker spuckte einen Berg von Rechnungen aus. Er surrte dabei nicht lauter als eine Hummel.
»Du hättest uns sofort anrufen müssen«, sagte Simon vorwurfsvoll.
»Das wäre deine Bürgerpflicht gewesen, anstatt hier herumzusitzen und uns wertvolle Informationen vorzuenthalten.«
»Aber lieber Kommissar, ich rief doch fünf Minuten, nachdem ich von dem Mord erfahren hatte, bei der Polizei an. Jemand hat auch notiert, daß ich im Besitz eines wichtigen Briefes sei. Man wollte sich melden. Ich dachte, Öhman hätte deshalb gestern angerufen.«
Simon und ich sahen uns an, und wir seufzten gemeinsam. Ganz unten im Zettelkasten, wird später bearbeitet, muß zuerst kontrolliert werden, zuwenig Leute, falsch einsortiert, Wichtigkeit nicht erkannt, in falsche Hände geraten, falsch aufgeschrieben. Es gab viele Möglichkeiten, und es war nicht das erstemal.
»Warum hat er gerade dich angerufen? Warum gab er dir so viele wichtige Informationen bereits vorab brieflich, bevor ihr euch überhaupt jemals begegnet seid? Weshalb wandte er sich nicht an einen großen Verlag?« fragte Simon.
Kalster starrte ihn verblüfft an.
»Weißt du denn nicht, wer ich bin und womit sich mein Verlag beschäftigt?«
»Nein, womit?«
Kalster sprang auf, eilte zu einem Regal, griff sich einen Stapel Bücher und legte sie vor uns auf den Tisch. Sie waren in schwedischer, deutscher und französischer Sprache geschrieben.
»Hier sind nur ein paar Ausgaben. Mein Verlag ist ein Zentrum des Antifaschismus in Europa. Unsere Bücher werden in den meisten Ländern sowohl im Buchhandel als auch über den Versand vertrieben. An mich wenden sich alle, die mit ihren Manuskripten gegen Faschismus und Nazismus kämpfen wollen. Es begann schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Mein Vater war mit Torgny Segerstedt in Göteborg befreundet, und was Segerstedt der Zensur wegen nicht veröffentlichen konnte, brachte mein Vater in Buchform. Er hatte es nicht leicht, aber er verzweifelte niemals. Ich führte sein Werk fort, und es gibt wohl auf dem Gebiet des alten und neuen Nazismus nichts, worüber ich nichts weiß.«
Seine Nichte faltete die Rechnungen in der Mitte und stopfte sie in vorbereitete Kuverts. Sie fügte hinzu: »Wir geben aber auch Lyrik heraus, und deshalb halte ich es hier aus. Rilke und Baudelaire und Goethe, unter anderem.«
»Ja ja, unsere Poesiereihe ›Klassische Stimmen und neue Töne‹ ist ein Markenzeichen, aber ökonomisch nur durchzustehen, wenn man vor gewissen Kosten die Augen verschließt.«
»Dann hoffe ich, daß du auch in Zukunft ab und zu ein Auge zudrückst. Es wäre schön, wenn auch weiterhin neue schwedische und internationale Poeten bei uns ihre erste Chance erhalten könnten.«
Wir schauten auf die Titel. Das wahre Gesicht des Nazismus, Die Zeit der Henker, Ein Haß ohne Grenzen, Hintermänner der Gewalt, Vergiß sie nie! , Hitlers Enkel, Die Opfer finden keine Ruhe, Sechs Millionen mahnen und andere. Es handelte sich um ziemlich einfach gestaltete Broschüren, als wollte man darauf hinweisen, daß es nicht auf den Umschlag, sondern auf den Inhalt ankam. Alle hatten dieselbe Größe und verschiedene Schwarzweißfotos auf der Titelseite.
»Ich sehe es als meine Aufgabe an, dafür zu sorgen, daß die Leute niemals die Zeit vergessen, als die alten Nazis herrschten. Außerdem informiere ich über neue faschistische Strömungen in Europa«, erklärte Kalster.
»Ich fühle mich verpflichtet, die Leute gewissermaßen aufzuwecken.«
»Es reicht ja schon, wenn man an die Nazis denkt, die es mal in Schweden gegeben hat, Lindholm und Furugard und wie sie alle hießen. Obwohl, wir haben der Verführung ja widerstanden. Wenn ich mich recht erinnere, stimmte bei den Wahlen nicht mehr als eine Handvoll für sie.«
»Das mag zahlenmäßig richtig sein. Bei den Reichstagswahlen erreichten sie höchstens ein Prozent, bei den Kommunalwahlen blieben sie noch darunter. Am stärksten waren sie in Göteborg und Skane, wo sie in den Gemeinden zum Teil bis auf sechs Prozent kamen. Aber damals gab es ein ganz anderes
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