Roland Hassel - 14 - Piraten
nicht, daß sie es darauf anlegt«, meinte ich.
»Aber sicher! Rolle, du kennst die Frauen nicht, aber das ist nichts Neues. Carl, gehört sie zu den Odeoniten?«
»Ja, gewiß. Valerie Hoch-Sundin verfügt über mehr Macht, als öffentlich bekannt und über mehr Verbindungen zum internationalen Kapital, als an der Oberfläche sichtbar sind. Rolle, wie interpretierst du ihr seltsames Verhalten?«
Wie immer fühlte sich Simon wie zu Hause und begann, im Kühlschrank nach echter Butter zu suchen, wobei er etwas von fader Margarine murmelte. Ich hatte genug Zeit gehabt, über die Antwort auf diese Frage nachzudenken und meine Gedanken zu sortieren. Wenn Hiller etwas Wissen wollte, galt es, intelligent zu erscheinen und die richtigen Worte zu finden. Jetzt legte ich wieder wert auf seine Anerkennung; ein schönes Gefühl.
»Im Büro Munkbron 9 der Gesellschaft oder Organisation hatte sie eine Auseinandersetzung mit jemandem. Mit wem und warum weiß ich nicht. Daß sie ohne Wagen und verkleidet war, weißt darauf hin, daß es sich um keinen gewöhnlichen Besuch handelte; eher ein heimliches Treffen, von dem keiner erfahren sollte.«
»Verkleidet?«
»Wenn eine solche Frau Sachen aus dem Winterschlußverkauf trägt und sich nicht sorgfältig schminkt, betrachte ich sie als verkleidet. Auch wenn sie sich keinen Schnurrbart angeklebt hatte – sie wollte eindeutig nicht erkannt werden.«
Simon fand ein Bier und ließ die Büchse zischen. Die heutige Jugend weiß vielleicht nicht, wie Mozart klingt, aber dieses Geräusch ist jedem bestens bekannt. Obwohl mein bester Freund und direkter Vorgesetzter mit anderen Dingen beschäftigt schien, entging ihm doch keine einzige Silbe.
»Als ich sie beschattete, schaute sie sich immer wieder um. Sie rechnete also damit, verfolgt zu werden. Das verstärkt den Eindruck, daß sie in geheimer Mission unterwegs war. Sie wußte, wo sie hinwollte, also hatte sie das Treffen geplant.«
»Und dort erwartete sie ein berüchtigter Verbrecher«, schaltete sich Hiller ein. »Was meinst du dazu?«
»Ganz offensichtlich erwartete er sie, doch es ist nicht sicher, ob sie wußte, mit was für einem Typen sie es zu tun hatte. Vielleicht hat er sie gezwungen zu kommen.«
»Wie meinst du das?«
»Ganz einfach – Erpressung. Er kann etwas erfahren haben, und sie war bereit, sich sein Schweigen zu erkaufen oder zumindest ihn aufzusuchen, um zu verhandeln. Erinnere dich an ihre Reaktion, als ich ihn niedergeschlagen hatte. Sie verhielt sich völlig passiv, rührte keinen Finger. Als ich vortäuschte, sie nicht zu kennen, ging er sofort darauf ein und präsentierte sie als eine gewöhnliche Nutte. Sie hat mit keiner Silbe protestiert.«
»Was schließt du daraus?«
»Daß er etwas gegen sie in der Hand hat, was so wertvoll ist, daß er sie nicht verrät. Hätte er ihre Identität preisgegeben, würden tausend Fragen gestellt werden, was die beiden miteinander zu tun haben. Jetzt ist sie scheinbar aus der Sache heraus, und er kann weiter Druck auf sie ausüben, wenn er das nächste Mal rauskommt oder abhaut. Vielleicht sogar aus dem Gefängnis heraus.«
Simon nickte zustimmend und rülpste. In Gesellschaft von Damen war er der perfekte Gentleman, doch unter Kumpels benahm er sich oft sehr volkstümlich.
»Hast du noch eine andere Theorie?«
Hatte ich eine? Gab es noch eine andere mögliche Verbindung zu Ahlbäck? In Gedanken ging ich die Geschehnisse schnell noch einmal durch.
»Tja, sie könnte sich ernsthaft bedroht gefühlt haben und kam mit der ihr ungewohnten Situation nicht klar. Sie brauchte Hilfe, aber die Sache war so delikat, daß sie nicht zur Polizei gehen konnte. Vielleicht erhielt sie die Adresse im Büro und erfuhr, daß der Mann, den sie treffen würde, nicht gerade zu den Stützen der Gesellschaft gehört, aber dafür auch keine Skrupel kennt.«
»Also kann Ahlbäck sowohl Erpresser als auch Verbündeter sein?«
»Wir sollten sie fragen.«
Hiller erhob sich und lief um den Küchentisch herum. Gedankenverloren knetete er die Hände, als erinnerte er sich an leckere Menüs, die er einst genossen.
»Genau das können wir nicht. So lange Ahlbäck dichthält, kommen wir nicht an sie heran. Trotzdem ist die Situation interessant und eröffnet neue Wege.«
»Meinst du, wir sollten Ahlbäck unter Druck setzen, damit er den Kontakt zu Madame Hoch-Sundin zugibt?«
»Nein, wir werden versuchen, auf andere Weise an die Informationen zu kommen. Wenn du fertig bist mit essen, Simon,
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