Roland Hassel - 14 - Piraten
herauszuholen.
»Vontenius nannte seinen Besucher nicht einmal beim Namen«, stellte Hiller fest. »Er schien nicht direkt Angst zu haben, zeigte aber großen Respekt. Manchmal kroch er ihm ja fast in den Hintern.«
»Ich glaube, er hatte wirklich Angst«, wandte Simon ein. »Vor allem vor Saxo. Das würde bedeuten, daß er Saxo früher schon einmal unter unangenehmen Umständen begegnet sein könnte, sonst wäre die Drohung wirkungslos. Und dann haben wir noch Tolly, von dem niemand weiß, wo er sich aufhält. Schade, daß Vontenius bei der Suche nach ihm nicht vom Büro aus telefoniert hat. Hätte er doch als Betriebskosten absetzen können.«
Hiller faßte zusammen:
»Wir haben einige interessante Namen, Saxo, Ahlbäck und natürlich Valerie Hoch-Sundin. Sie ist wahrlich nicht irgendwer. Mit dem Namen Tolly, egal wie er sich schreibt, arbeitet Interpol bereits. Vielleicht spucken die Computer etwas aus. Außerdem haben wir die nach Rolles Beschreibung angefertigten Phantombilder. Auch damit beschäftigen sich Experten. Meiner Meinung nach ist das gar nicht so wenig. Wir sind auf dem richtigen Weg.«
»Wirklich? Und was ist mit den Odeoniten?«
»Das ist komplizierter, als ein Soufflé zuzubereiten. Schon die simpelsten Fragen an ein Mitglied dieser Gesellschaft könnten, wenn es herauskommt, als Mißtrauensbeweis gegen das Ganze gewertet werden. Ich habe die ausdrückliche Anweisung, mit äußerster Zurückhaltung zu agieren und ohne schriftliche Genehmigung nichts zu unternehmen.«
»Aber wenn …«
»Wenn es absolut notwendig wird, bekomme ich die Zustimmung. Wenn wir den begründeten Verdacht haben, daß ein Odeonit in die Sprengungen von Schiffen verwickelt ist, helfen die besten Beziehungen nichts mehr.«
Als Simon und ich über Fridhemsplan und Kronobergspark zum Polizeigebäude spazierten, waren wir entgegen Hillers Auffassung keinesfalls der Meinung, auf dem richtigen Weg zu sein. Vielleicht hatten wir bereits Stab und Wanderschuhe erhalten, doch die Marschrichtung stand noch lange nicht fest.
»Wir können Valerie Hoch-Sundin nicht beschatten«, sagte Simon. »Sie ist in keiner Weise verdächtig. Vielleicht würde sich einer von uns einen Tausender verdienen, indem er der Boulevardpresse einen Tip gibt. Wäre doch eine tolle Schlagzeile: Warum verfolgt die Polizei die Milliardärin?«
Der Gedanke war nicht abwegig. Da den Informanten der Zei-Hingen Anonymität garantiert wird, findet sich oft jemand, der für ein paar Scheine seine polizeilichen Pflichten verletzt. Dagegen ist nichts zu machen. Wenn es um Geld geht, bleibt die Moral auf allen Ebenen auf der Strecke.
»Eigentlich können wir uns nur auf Saxo und Ahlbäck stürzen. Ahlbäck ist eine Muschel. Er wird nicht einmal antworten, wenn wir ihn nach seiner Meinung über das Wetter fragen.«
»Aber wir können herausfinden, was er vorhatte. Auch ein Raubvogel muß irgendwo brüten. Wenn wir das Nest finden, entdecken wir vielleicht auch etwas, das uns weiterbringt.«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Es sind mir, verdammt noch mal, zu viele ›vielleicht‹ in diesem Fall.«
»Das ist doch ganz normal; das weißt du.«
Möglicherweise war es so, aber ich konnte mich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Es war wie Waten in zähem Beton. Abrupt blieb ich stehen, mitten auf dem Plateau im Park, wo es zur Polhemsgatan hinuntergeht. Es dämmerte, die Luft war feucht und die Bäume wirkten in ihrer Kahlheit wie nackt. Wir waren allein, da alle anderen Leute, die den Park sonst als Abkürzung oder Auslauf für ihre Hunde benutzten, bei diesem Dreckwetter zu Hause geblieben waren.
»Simon, ich will Resultate sehen, und zwar bald!«
»Wer, zum Teufel, will das nicht?«
Plötzlich fühlte ich mich leicht fiebrig, von etwas Unerklärlichem erfüllt. Ich ging zum nächsten Baumstamm und trat mit der Fußspitze dagegen. Simon hob die Augenbrauen.
»Sollen wir die Kastanie verhaften?«
»Ich möchte mit dir über den Job reden.«
»Reden wir nicht ständig darüber?«
»Ich meine, über das Ganze, über den Beruf, über meine Arbeit.«
Er nickte, und mein Fieber nahm zu. Die Kleider schienen enger geworden zu sein. Mein Blut hatte sich mit anderen Flüssigkeiten gemischt und schoß glühend durch Adern und Venen.
»Simon, ich …«
»Warte ein wenig, Rolle.«
Er legte seine gewaltige Hand auf meine Schulter und sagte leise und ruhig:
»Laß uns morgen reden. Überschlaf die Sache. Du hast keine Eile. Meine Ohren werden ja hoffentlich
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