Roland Hassel - 14 - Piraten
Informationen beschafft, die eine Aktion rechtfertigten. Volle Kraft voraus, war meine Devise, doch er wollte offenbar nicht einmal den Anker lichten.
»Wenn wir zuschlagen, könnten wir unsere Trümpfe verspielen und plötzlich mit lauter schlechten Karten dasitzen. Wir verlassen die Deckung, gehen in die Offensive – und stoßen ins Leere. Jedenfalls wissen wir jetzt, daß Intell zu der Organisation gehört. Dort setzen wir an; wir hören das Telefon ab, beschatten Besucher, folgen ihnen auf Schritt und Tritt, werfen unsere Netze auch nach anderen Fischen aus. Laß uns noch eine Weile warten.«
Er hob abwehrend die Hand, um meiner Erwiderung zuvorzukommen.
»Ich weiß, ich weiß, doch es gibt weitere Argumente, die für meine Auffassung sprechen. Wir müssen auf einem höheren Niveau agieren und dürfen Stockholm nicht zum Nabel der Welt machen. Ich will die ganze verdammte Bande und nicht nur einen kleinen Teil. Außerdem, Rolle, ist Bill Intell eine bedeutend interessantere Person, als du ahnst.«
Er trank Wein und genoß den edlen Tropfen. Sicher hatte er vergessen, wie ordinäre Getränke schmecken.
»Inwiefern?«
»Interessantere ist vielleicht das falsche Wort. Sein Name taucht in interessanteren Zusammenhängen auf, als es zuerst den Anschein hatte. Ich habe mit meinen Chefs gesprochen und werde ihnen übermitteln, was du mir berichtet hast. Sie mögen dich, meine Chefs. Jetzt, da Interpol mehr zur operativen Arbeit neigt, um der internationalen Kriminalität Herr zu werden, weiß man deine Leistungen zu schätzen.«
»Aber was soll ich meinen Chefs berichten? Soll ich lügen wie gedruckt?«
»Schreib die Wahrheit. Daß du krumme Geschäfte vermutest und dranbleiben willst.«
Er konnte recht haben. Wie immer klang er so überzeugend, daß ich zu zweifeln begann. Vielleicht sollten wir wirklich noch ein wenig warten, doch Simon mußte in jedem Fall exakt erfahren, was ich Hiller erzählt hatte. Vor einem Vierteljahr war das Leben noch einfach und unkompliziert gewesen. Meine Arbeitsaufgaben waren genau definiert, Grenzen und Regeln bekannt. Ein kleiner Greiferbulle unter anderen Greiferbullen, und ich kämpfte zusammen mit den anderen so gut ich konnte gegen eine Kriminalität, die wir kannten und die greifbar war. Jetzt war das Leben schwer und kompliziert. Aber ich hatte an dem Komplizierten Gefallen gefunden und gemerkt, daß ich es so haben wollte.
Simon war den ganzen Tag in einer Konferenz, also legte ich ihm meinen Bericht auf den Tisch. Im Flur stieß ich mit Sune zusammen, und wir starrten uns haßerfüllt an, bevor wir im Halbkreis umeinander herumschlichen. Wir waren fertig miteinander. Was sollte ich tun? Arbeiten? Auf meinem Schreibtisch lagen die üblichen Fälle und warteten darauf, daß ich mich auf Polizeiart in sie verbiß, aber sie mußten ungebissen ausharren. Wieder kribbelte es unter der Haut, und das Hemd wurde mir eng. Am liebsten wollte ich den Tod von über zwei Dutzend braven Seeleuten aufklären, doch ich hatte keinen Ansatzpunkt. Myrna kam herein, und es war schön, sie zu sehen. Ich würde sie an meiner neuen Arbeitsstelle vermissen. In Gedanken hatte ich mich schon so auf meinen neuen Job eingestellt, daß mir die restliche Zeit bei der Fahndung wie Überstunden vorkam.
»Pelle hat Angina und muß heute im Bett bleiben«, teilte sie mit.
»Dann hat Gullan sicher ebenfalls Angina«, vermutete ich. »Und ist mit ihm im Bett geblieben.«
Sie kicherte bei der Vorstellung:
»Da liegen sie und anginern miteinander. Tja, Pelle und ich hatten heute nachmittag was zusammen vor, und ohne Sparringspartner geht es nicht. Irgendein Typ könnte ja frech werden, und wenn ich keinen habe, der mich zurückhält, schlage ich ihn vielleicht zu Brei.«
»Okay, ich komme mit. Ich betrachte das als Therapie.«
Myrna glaubte, daß ich scherzte, aber ich meinte es ernst. Bis Mittag würde ich Akten wälzen und danach ihren Partner simulieren.
»Wollen wir zusammen futtern gehen?« fragte sie. »Ich treffe mich zum Lunch mit meinem Väterchen.«
»Das ist bestimmt ein schrecklicher Kerl«, seufzte ich. »Langweilig und faul und böse und dumm. Aber ich opfere mich.«
»Du hast recht, Mitesser hat er auch noch. Trotzdem muß man nett zu alten Leuten sein.«
Ein paar Stunden später saßen wir in einer Kneipe in Norrmalm, die vor allem von Taxifahrern besucht wurde. Myrnas Papa Jompa war stolz auf seinen neuen Volvo, mit dem er erst wenige Runden gedreht hatte. Er war ein
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