Roland Hassel - 14 - Piraten
leicht würde er es mir nicht machen. Er kämpfte nicht Mann gegen Mann, er schlich sich hinterrücks ein. Dieses widerwärtige Lachen … Es drückte gegen die Trommelfelle und stach in den Kopf hinein.
Mir mußte etwas einfallen. Er hielt sich im Raum auf, aber ich konnte ihn nicht entdecken. Ein unsichtbarer Rächer, der überall und nirgends war. Angst schnürte mir die Kehle zu; das Atmen fiel mir schwer.
»Bald bist auch du tot, und du wirst dir wünschen, daß es schneller geht …«
Meine Hände ertasteten die Sofakante. Ich nahm alle Kraft zusammen. Ein Poltern, ein Krachen, ich warf mich nach vorn, schlug einen Purzelbaum, kam wieder auf die Beine, verlor die Balance und fuchtelte wild mit den Armen.
»Du wirst sterben … sterben … sterben … und deine Frau wird sterben … sterben … sterben … und deiner Schlangenbrut werde ich den Hals abschneiden und sie wird sterben … sterben … sterben …«
Einer der Körper streifte mich, und ich hielt mich daran fest, um nicht hinzufallen. Der Strick gab nach und ich ging zu Boden. Die Leiche lag genau auf mir, und ich schrie vor Schreck, vor Ekel … Aber was war das, der Körper wog ja gar nichts, als würde er aus Luft bestehen! Und auch die Haut, wie seltsam, fühlte sich trocken an und gab nach. Waren die inneren Organe entfernt worden, wie bei einem Ritualmord?
»Wie fühlst du dich jetzt, Polizistenmörder?«
Wo steckte dieser Teufel? Kalter Schweiß bedeckte meine Stirn. Aber warum bluteten die Körper nicht, warum waren sie so leicht? Die Haut gab meinen Fingern nach; sie war wie Gummi. Gummi … Ich drückte kräftiger, meine Fäuste trafen auf keinen Widerstand. Es war eine Gummipuppe, die jemand mit einer fahlgrauen Farbe bestrichen hatte. Mit zitternder Hand wischte ich mir über die Stirn. All die von der Decke hängenden Körper waren aus Gummi und hatten aufgemalte Gesichter. Verrückter als verrückt!
»Du wirst noch um dein Leben flehen. Auge um Auge, Zahn um Zahn … die Polizistenmorde werden gerächt …«
Mein Blick irrte umher und entdeckte das Tonbandgerät. Von dort kam also das heisere Lachen. Die Stimme malte mir weiter die schlimmsten Foltern aus, verstummte jedoch, nachdem ich das Gerät ausgeschaltet hatte.
Erschöpft sank ich auf das Sofa und versuchte, mich zu beruhigen. Das hier verkraftete ich nicht allein; ich streckte die Hand nach dem Hörer aus und rief Simon an. Er versprach, in einer halben Stunde da zu sein.
Simon nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und maulte nicht einmal, weil es nur Leichtbier war. Daß mein Kopf genauso kahl war wie seiner, schien ihm ebenfalls nicht aufzufallen. Er hatte die Kriminaltechnik sowie Leute mobilisiert, die die Nachbarn wecken und befragen sollten. Sein Gesicht war tiefernst; er schien sich nicht wohl zu fühlen. Warum sollte es ihm besser gehen als mir, der ich von Gummileichen umgeben war?
»Rolle, hier kannst du nicht bleiben. Bis wir den Wahnsinnigen geschnappt haben, wohnst du im Hotel.«
»Morgen früh ziehe ich nach Norsborg, die Zeit ist reif. Aber Virena und Elin können nicht nach Hause, solange dieser geistesgestörte Typ frei herumläuft. Wer weiß, auf welche Ideen er nächstes Mal kommt«, gab ich zu bedenken.
Simon nickte zustimmend und stieß eine der Puppen mit dem Fuß in die Seite. Er erschrak, als plötzlich der Arm hochschnellte. Die Gesichter waren geschickt gemalt; alle trugen Perücken. Die Maskerade war zwar billig, hatte ihren Zweck aber erfüllt.
»Er will dich, und er scheut weder Kosten noch Mühen. Er muß geradezu besessen sein.«
»Virena und Elin bedroht er ebenfalls.«
»Ja, ich habe es gehört, aber eigentlich meint er dich. Er täuscht eine allgemeine Renovierung des Hauses vor, damit niemand auf Geräusche reagiert und Verdacht schöpft. Er schleppt einen Laserbrenner an und schneidet die kompletten Schlösser heraus, um sich Einlaß zu verschaffen. Nachdem er die Wohnung präpariert hat, setzt er die Schlösser wieder ein. Bei dem Gitter ist es kein Problem, bei der Außentür muß er die Spuren beseitigen, indem er sie überstreicht.«
Die Decke war durch die Metallhaken verunstaltet; die Reparatur würde einige Zeit dauern.
»Er koppelte das Tonbandgerät mit der Tür«, fuhr Simon fort. »Das Band lief an, als du das Zimmer betratst. Er muß für die Vorbereitungen Stunden gebraucht haben. Du hättest auftauchen können oder ein mißtrauischer Nachbar. Der Kerl ist ein enormes Risiko eingegangen, nur um dich zu
Weitere Kostenlose Bücher