Roland Hassel - 14 - Piraten
Erst von innen und anschließend das Dach. Es soll bald losgehen, dann ist hier der Teufel los.«
»Würde ein neuer Anstrich nicht reichen?«
»Irgend etwas müssen sie ja mit dem Gewinn machen, bei den Mieten! Wie geht es meiner Lieblingstochter?«
»Elin spricht richtig gut spanisch.«
»Finos Caramellos.«
»Sie findet es hier ganz toll. Übrigens habe ich ein paar Schweden getroffen, mit denen wir gemeinsam etwas unternehmen.«
»Hat er einen schwarzen Bart und blitzende Augen?«
»Ha ha. Spaß beiseite, man kann sich an das Leben hier gewöhnen. Aber ich schlafe nicht gut. Ich liege oft schweißgebadet, und Elin ist schon einmal davon aufgewacht, daß ich im Traum geschrien habe. Wie sieht es denn zu Hause aus; ist der Spuk vorbei?«
»Noch nicht ganz.«
»Wann, Roland, wann?«
Sie konnte mein Gesicht nicht sehen, aber ich zog trotzdem eine Grimasse. Glaubte sie, daß nur sie schlecht schlief? Die Frage, die in der kühlen schwedischen und der warmen spanischen Luft hing, war doch, ob sie heimkommen oder den Urlaub verlängern würden. Ich wollte sie aus vollem Herzen bei mir haben – und andererseits auch nicht. Denn so lange solche Anrufe kamen … und dieser Teufel lachte … Das Abhören des Telefons hatte bisher nichts gebracht, weil die Terroristen den Braten wohl gerochen hatten und aus öffentlichen Telefonzellen anriefen. Da wir diese Geisteskranken unbedingt fassen wollten, war ich gezwungen, die meisten Gespräche entgegenzunehmen und den jeweiligen Teilnehmer so lange wie möglich hinzuhalten, auch wenn ich am liebsten in den Hörer kotzen wollte.
Die Frage war also, ob eine Krankenschwester und ihre Tochter aus dem Urlaub zurückkehrten oder eine ausgebildete Flamencotänzerin mit Kastagnetten, stolzer Miene und einer Rose zwischen den Zähnen. Mit einer Elin, die mich Padre nannte und nur noch Paella essen wollte.
Der Friseur Harry, ein jovialer Mann, konnte mit Schere und Rasierapparat umgehen und wußte noch, daß man mit Brylcreme herrliche Tollen zaubern konnte. Hiller war dabei und beobachtete verstohlen lächelnd, wie ich Platz nahm, eine weiße Halskrause und einen Umhang verpaßt bekam und in den Spiegel schaute, in dessen Rahmen Fotos zufriedener Kunden steckten. Die Frisuren aus verschiedenen Epochen zeugten vom Wechsel der Moden. Da ich die Haartracht, die meinen Kopf zierte, seit Geburt unverändert trug, konnte ich sie wohl zeitlos nennen. Der Schnurrbart war schön dicht geworden und lief in Spitzen aus; von weitem sah es aus, als hätte ich zwei Eichhörnchen vernascht und nur die Schwänze vergessen.
Wir hatten einen Termin nach Ladenschluß bekommen und waren durch eine spanische Wand gegen neugierige Blicke von außen abgeschirmt. Hiller zündete seine Pfeife an, schlug die Beine übereinander und kommandierte:
»Fang an!«
Der Friseur zog den Kamm durch das Haar.
»Gute Qualität«, lobte er.
»Ehrlich gesagt, Harry, bist du nicht ein wenig zu alt für diese Art Barbierladen?«
Mit kundigen Fingern betastete er die Haarwurzeln.
»Das hier ist ein Haarstudio; wir vermieten die Plätze an Unternehmer, die ihren eigenen Kundenkreis mitbringen. Mein Sohn führt das Geschäft und hat das Know-how. Das ist englisch und bedeutet ›Gewußt-wie‹. Die Firma heißt« Beauty-Klipp », auch eine Idee meines Sohnes. Soll ich die Musik anmachen, die sonst den ganzen Tag läuft?«
»Nur, wenn es Duke Ellington ist.«
Er seufzte, und ich begriff, daß unsere Seelen verwandt waren.
»Duke Ellington ist es nicht gerade. Eher etwas für die jüngeren Semester. Meine Trommelfelle haben eine andere Auffassung von Musik, aber sie müssen sich dem Zeitgeschmack anpassen. Darum geht es im Leben, sich anzupassen.«
»Warum paßt du dich an?«
Er schnippelte prüfend in die Luft; vermutlich, um sich richtig in Schwung zu bringen. Andere Gründe konnte es nicht geben – oder zahlt man heutzutage schon für eine Geste?
»Ich schulde meinem cleveren Sohn Geld. Manchmal kommen altmodische Typen herein; das werden dann meine Kunden.«
»Bin ich altmodisch?«
»O ja, einer der altmodischsten. In meinen Augen ist das ein Kompliment. Soll ich wirklich …«
»Streu bitte kein Salz in die offene Wunde. Du sollst!«
»Heimlich habe ich noch eine Scheibe von Carl Jularbo, die könnte ich doch auflegen?«
»Nein. Tu, was getan werden muß. Zu solch einem traurigen Anlaß ist Grabesstille die passende Musik.«
Drei rasche Schnitte hier, drei rasche Schnitte da, und schon
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