Roland Hassel - 14 - Piraten
ihr wirkliches Heim war die Kabine, und dort verwahrte man seine wichtigen Dinge. Dennoch gab es ein paar deutlichere Hinweise. Jeder der Brüder hatte seinen eigenen Schlafraum, und in den Schränken hingen Kleidungsstücke. Johnnys waren unmodern und billig, während Mark einen besseren Geschmack sowie Geld für italienische Anzüge gehabt haben mußte. Kein Wunder, daß Johnny neidisch geworden war. Der Unterschied im Lebensstandard setzte sich in den Schubläden fort. Johnny verwahrte dort Strümpfe und Unterwäsche, die er bei Kapp-Ahl oder Hermes & Mauritz im Fünferpack gekauft hatte. Marks Intimwäsche dagegen war weich und exklusiv, wie Frauen sie mögen, jedenfalls in der Werbung.
In dem Postberg entdeckte ich einige Briefe an Mark und einen an Johnny, aber sie waren inhaltlich uninteressant und stammten von Leuten, die ich nicht kannte. Johnny hatte durch eine Glücksnummer fünfunddreißig Kronen gewonnen und es war tragisch, daß er seinen unerwarteten Reichtum nicht mehr genießen konnte. Ansonsten gab es ein paar Rechnungen, die ich einfach ignorierte.
In einer kleinen Kasserolle, die wegen ihres losen Handgriffs schwierig zu handhaben war, kochte ich mir ein paar Eier. Dann schmierte ich ein paar Stullen, belegte sie mit Käse und Tomatenscheiben und fühlte mich nützlich. Während ich aß, untersuchte ich die Brieftasche. Man hatte Johnny 1800 schwedische Kronen und 86 englische Pfund zugebilligt. Eine Eintrittskarte für den Nachtklub Babylon versprach zehn Prozent Rabatt, wenn man sie am Eingang vorwies, doch eine Adresse war nicht angegeben. Hinter einer Glasscheibe steckte ein Schwarzweißfoto, das eine exotisch aussehende Frau mit Kinderwagen zeigte. Neben ihr stand im Halbschatten ein glatzköpfiger Mann, der ich sein konnte. Die Frau lächelte und hatte sich bei ihm untergehakt. Die Liebe hatte Früchte getragen, und nun hoffte sie wohl, daß der schwedische Sailor sie ehelichen und damit ehrbar machen würde. Oh, sie kannte die zweifelhafte Moral der nordischen Teerjacken nicht! Das Telefon klingelte und unterbrach mein Nichtstun. Ich antwortete, indem ich die Nummer murmelte. Eine junge Männerstimme grüßte fröhlich und erkundigte sich:
»Ist da Odler?«
»Mhm.«
»Hier ist … Televerket. Dein Telefon ist … und … Kann sein, daß … Leitung …«
Gewisse Worte verschwanden, als hätte sie jemand verschluckt.
»Was willst du denn?«
»Wir … prüfen. Können wir … unmittelbar?«
»Ich bin zu Hause.«
Aha, nun ging es los. Ich rief Hiller an und berichtete, daß sich Leute von Televerket angekündigt hatten, um den Anschluß zu prüfen. Wir wußten beide, was das bedeutete.
»Ganz unten im Seesack findest du ein Handy. Wenn du anrufst, verwende ausschließlich dieses Gerät. Wenn die Jungs von Televerket bei dir waren, wird Johnny angerufen werden. Vergiß nicht – keine Abschweifungen. Die goldene Regel lautet: Klappe halten!«
»Das hast du mir tausendmal gesagt. Halte dich selbst an diese goldene Regel.«
Er lachte, und es klang nach einem Fünftel-Simon.
»Mach deines, und wir machen unseres.«
Eine halbe Stunde später klingelte es an der Tür. Ich öffnete in Pantoffeln und aufgeknöpftem Hemd. Zwei junge Mitarbeiter von Televerket standen mit ihren Werkzeugtaschen vor mir und lächelten so freundlich, wie es sich alle im Servicebereich Tätigen angewöhnen sollten.
»Hallo, wir haben miteinander telefoniert.«
»Mhm.«
Ich ließ sie herein, wobei ich mit dem Sportteil von Dagens Nyheter raschelte. Der Gesprächigere von beiden schien eine natürliche Führungsrolle auszuüben, während der andere nur Isolierband und Schraubenzieher reichen durfte.
»Warst du verreist?«
»Wieso?«
»Weil wir lange gebraucht haben, um dich zu erreichen. Im Haus kommt es immer wieder zu Schwankungen; kann sein, daß bei dir eine Leitung beschädigt ist.«
»Schaut euch um.«
Ich setzte mich auf das Sofa und studierte die Resultate von Sportarten, die ich nicht einmal dem Namen nach kannte. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sie den Apparat untersuchten und die Leitungen prüften. Der Wortführer gab sich weiterhin sozial:
»Warst du im Süden?«
»Was?«
»Ich fragte, ob du im Süden warst. Du siehst aus, als hättest du Sonne abbekommen.«
»Mhm.«
»Und wo? Ich sammle gute Tips. Marokko zum Beispiel ist Spitze. Herrliche Strände. Hast du dich vielleicht dort gesonnt?«
»Nein.«
»Wo dann, wenn ich fragen darf?«
»Irgendwo. War nichts
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