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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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näherte sich die Schere der Schwarte. Harry war der philosophische Typ Friseur, der diesen Beruf gewählt hatte, um mit seinen Kunden über Themen von Blumendünger bis Hitlers Schnurrbartwichse zu plaudern. An meiner bedrückten Miene erkannte er, daß ich nicht in der Stimmung war, über allgemeinmenschliches zu reden. Er konnte es sich jedoch nicht verkneifen, fachliche Bemerkungen zu machen:
    »Kurze Haare stehen dir; du siehst aus wie ein amerikanischer Leutnant vom Marinekorps.«
    »Nein.«
    »Vielleicht lassen wir zwei Zentimeter stehen? Ein richtiger Bürstenhaarschnitt. Echt cool, würde mein Sohn sagen.«
    Hiller winkte abwehrend mit der Pfeife.
    »Harry, ich will jetzt eine Billardkugel sehen.«
    »Kann ich euch wirklich nicht zur Bürste überreden? Ich begreife ja, daß es um eine Wette geht, aber als Künstler widerstrebt es mir, einem Mann, der Duke Ellington mag, eine Glatze zu schneiden. Das paßt irgendwie nicht.«
    »Die Billardkugel, Harry!«
    »Das hier hätte mein Sohn übernehmen sollen. Ich bin ein Gefühlsmensch und habe ein Gewissen. Am Tag der Auferstehung werden mir meine Missetaten vorgehalten. Vielleicht lassen wir ein halbes Zentimeterchen stehen? Okay, okay, ich habe verstanden, bitte nicht solche Grimassen in meinem Salon, ich mach ja schon, ich mach ja schon.«
    Ich konnte nicht länger zusehen. Die Schere kam der Kopfhaut immer näher, dann dröhnte die Maschine über meinen Kopf zum Nacken hinunter. Der letzte Akt vor der Exekution bestand darin, mir den Schädel einzuseifen und mit dem Rasiermesser die letzten Stoppeln zu beseitigen.
    »Beug dich vor«, seufzte er. »Armer Mann!«
    Mit lauwarmem Wasser spülte er die Seifenreste ab, dann trocknete er den Kopf mit einem Handtuch.
    »Ich wünschte, ich könnte Duke Ellington auflegen, um den Schock zu lindern. Bitte sehr! Ich verlasse lieber die Reichweite der Fäuste.«
    Ich öffnete die Augen. Aus dem Spiegel starrte mich eine wildfremde Person an. Wie befürchtet, sah ich zum Gotterbarmen aus. Mehr als das: Ich glich einem Irren, der um die Jahrhundertwende aus einer Anstalt entflohen ist und steckbrieflich gesucht wird. Man sollte die Allgemeinheit warnen sowie Kinder und Dienstmädchen von der Straße holen. Daß mein guter alter Haarschopf eine solche Bedeutung haben könnte, hätte ich nicht gedacht; die Verwandlung eines Durchschnittsschweden in den Cousin von Frankensteins Monster war beunruhigend schnell gegangen.
    »Ich kann mich im Haus nicht mehr zeigen«, murmelte ich. »Die Nachbarn werden fordern, daß ich ausziehe.«
    »Ach was, du siehst scharf aus. Wie Yul Brunner, falls du dich an ihn erinnerst.«
    »Ja, der ist seit Jahren tot. So sieht man also aus, wenn man wieder ausgebuddelt wird.«
    »Jetzt lade ich dich erst mal zu einem feinen Essen ein. Wir haben viel zu besprechen.«
    Während er die Brieftasche zückte, um zu bezahlen, holte ich eine Strickmütze aus der Tasche und zog sie über den Kopf. Das war ja noch schlimmer! Nun glich ich einer Billardkugel mit übergestülptem Eierwärmer!
    »Eigentlich nehme ich kein Geld von einem Herrn, der Duke Ellington liebt«, erklärte Harry. »Besonders, wenn ich gezwungen war, ihn auf so empörende Weise zu verschandeln. Aber die bittere Not macht auch vor Friseuren nicht halt. Können wir das ohne Quittung und ähnliche fiskalische Spitzfindigkeiten regeln?«
    »Leider nicht. Wir sind Polizisten.«
    »Schade, schade. Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, den Staat und meinen Sohn gleichzeitig zu linken.«
    Zum Trost wollte mich Hiller in ein Luxuslokal einladen, aber ich gab zu bedenken, daß solche Etablissements meist gut beleuchtet sind. Schließlich landeten wir im Restaurant seines Hotels, wo es schummerige Nischen gab. Am liebsten wollte ich meine Mütze aufbehalten, aber er zwang mich mit sanftem Nachdruck, sie abzusetzen. Um mich abzulenken, begann er sofort mit dem Abfragen der letzten Lektionen.
    Die Mahlzeit zog sich hin, doch obwohl der Koch sicher die Meisterprüfung abgelegt hatte, schmeckte alles wie Asche. Leute, die an unserem Tisch vorbeikamen, warfen mir unterschiedliche Blicke zu. Die einen bedauerten mich wegen der Krankheit, die mich die Haare gekostet hatte; andere fragten sich, wie so eine Figur hier Einlaß gefunden hatte; wieder andere vermuteten in mir einen Skinhead oder einen Freigänger aus dem Knast. Vielleicht sollte ich mir einen Ring ins Ohr stecken und mich als Rapper ausgeben.
    »Wa-was?« stammelte ich, als mir Hiller eine Frage

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