Roland Hassel - 14 - Piraten
aufeinanderschlugen.
»Sehr komisch! Du kommst mit; das werden wir jetzt klären.«
Er packte fester zu, doch ich riß mich los und versetzte ihm einen Stoß.
»Faß mich nicht an! Ich gehe selbst.«
»In die Kapitänskajüte! Und keine Tricks, sonst fliegst du im hohen Bogen über Bord.«
Als wir die Treppe hinaufstiegen, knuffte er mich die ganze Zeit in den Rücken. Wir trafen einige Besatzungsmitglieder, die zur Seite traten und mir einen verwunderten Blick zuwarfen, der auch Sympathie und Mitgefühl ausdrückte. Ich war nicht nur ihr Bruder, sondern dazu noch ein ausgesprochener Pechvogel.
Hodinsky riß die Tür zur Kajüte auf und stieß mich hinein, so daß ich über den Teppich bis zur gegenüberliegenden Wand taumelte. Machec und Ziegfelt saßen über verschiedene Papiere gebeugt und schauten überrascht auf. Hodinsky zeigte auf mich, und in seinem Finger war Dynamit.
»Er schlich im Dunkeln aus dem Frachtraum wie ein Dieb. Was zur Hölle hatte er dort zu suchen? Was haben wir uns da für eine miese Ratte an Bord geholt?«
Er klang wie ein Vorgesetzter, der einen Untergebenen bei etwas Verbotenem ertappt hatte. Machec und Ziegfelt erstarrten und musterten mich mit erstaunten und drohenden Blicken. Falls sie einen Verräter vor sich hatten, war das Kräfteverhältnis in der Kajüte drei zu eins; bald würde es heißen: drei und eine Leiche. Ziegfelt verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf ein wenig zur Seite. Seine Stimme war weich wie Honig vom Reichsverband der Schwedischen Bienenzüchter.
»Ich muß zugeben, daß das äußerst merkwürdig klingt. Merkwürdigkeiten mögen wir hier gar nicht. Wir ziehen das Einfache, Direkte und Begreifliche vor. Wie kommt es, daß du im Dunkeln an einer Stelle, wo du nichts zu suchen hast, herumschleichst wie eine, um die Beschreibung unseres Freundes zu gebrauchen, miese Ratte?«
Machec sagte nichts, doch seine Blicke schienen mich zu durchbohren.
»Ratten gab es da unten im Überfluß, aber eine miese habe ich nicht gesehen. Deshalb kann ich mit dem Vergleich nichts anfangen.«
»Hast du eine akzeptable Erklärung?« fuhr Ziegfelt im selben honigweichen Tonfall fort, doch ich hatte den Verdacht, daß der Honig von Killerbienen stammte.
Mein Lächeln bestand aus Nachsicht und Bitterkeit. Ich hoffte, das war die richtige Mischung. Jetzt nur keine Panik; ich zwang mich, ruhig, ja gleichgültig zu klingen. In meinem Hosenbund hatte ich die entscheidende Trumpfkarte. Je länger ich das Spiel hinauszog, desto höher würde der Gewinn ausfallen.
»Hodinsky, du scharfer Beobachter, hast du nicht noch jemanden aus dem Frachtraum kommen sehen?« begann ich.
»Nein, nur dich. Da war sonst keiner.«
»Wenn du besser aufgepaßt hättest, wäre dir noch jemand aufgefallen.«
Machec schaute mich an, dann Hodinsky und dann wieder mich. Ich konnte seine Gedanken lesen: Feind oder Verbündeter?
»Seltsam, welche Anziehungskraft der Frachtraum ausübt. Aber auch das Seltsame mögen wir nicht«, erwiderte Ziegfelt, und im Honig schimmerten die Stacheln der Killerbienen. »Erzähl weiter, wir werden dich nicht unterbrechen.«
»Meine Aufgabe besteht darin, die Besatzung zu kontrollieren«, fuhr ich fort. »Das Pack muß in Schach gehalten werden. Ich war auf Deck, da entdeckte ich, wie jemand durch die Inspektionsluke in den Frachtraum schlich. Ich versteckte mich in der Nähe, um zu beobachten, wer es war, wenn er wieder hinaufkäme. Dann …«
»Na und, hast du gesehen, wer es war?« fragte Ziegfelt ungeduldig.
»Du hast versprochen, mich nicht zu unterbrechen!«
»Ich tue es aber trotzdem. Meine Versprechen halte ich nur denen gegenüber, die es verdienen. Also?«
»Nein. Es war dunkel, und er hatte eine Art Maske über das Gesicht gezogen.«
»Hast du ihn nicht festgehalten?«
»Nein, er hätte bewaffnet sein können.«
Hodinsky prustete los, und Ziegfelt verzog mitleidig seine dünnen Lippen.
»Oje, oje, so ein brutaler Typ. Oder ist der werte Herr Odler etwa feige?«
Ich reagierte nicht auf den Einwurf.
»Was hatte der Mann im Frachtraum zu suchen? Ich holte eine Taschenlampe, stieg hinunter und suchte nach Spuren. Wie gesagt, Ratten gab es zur Genüge. Danach kletterte ich wieder hinauf, natürlich so unauffällig wie möglich. Er konnte ja in der Nähe sein. Doch da war nur Hodinsky, der über mich herfiel und ein Spektakel machte.«
Machec räusperte sich und äußerte sich zum ersten Mal, mit übertrieben neutraler Stimme:
»Du
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