Roland Hassel - 14 - Piraten
Frage betrachten und alle Türen verschließen, wie bei einem Panzerschrank.«
Er zeigte mit der Gabel auf mich.
»Wenn wir das Ganze jedoch zu einer reinen Polizeiangelegenheit auf niedrigerem Niveau machen, besteht die Möglichkeit, zu Ergebnissen zu kommen. Integrität ist den Odeoniten wichtig, und wenn einer von ihnen gegen die Regeln verstößt, glaube ich nicht, daß sie ihn schonen werden.«
»Was soll das für eine Polizeiangelegenheit auf meinem niedrigen Niveau sein?«
»Wir erfinden eine. Nehmen wir an, eine dieser reichen Personen ist nicht ganz astrein; unter dem glänzenden Lack steckt nur schimmelige Pappe. Da könnte er der Versuchung erlegen sein, gemeinsam mit einer Bande skrupelloser Typen über ein Unternehmen wie Black Circle das große Geld zu verdienen. Wenn die Odeoniten davon Wind bekommen, versehen sie die gewöhnliche Polizei mit Beweismaterial. Interpol würden sie nicht unterstützen. Lieber ein ganz normaler Schurke, der ins Gefängnis kommt, als Skandale um ein Mitglied, das vielleicht auch in anderen Beziehungen versagt und die Glaubwürdigkeit der Gruppe insgesamt beschädigt hat. Verstehst du?«
»Ja, was du sagst, aber immer noch nicht, was du meinst. Warum gerade ich, der am wenigsten geeignete?«
»Rolle, du warst Zeuge eines unglaublichen Verbrechens. Du kannst Spuren entdecken, wo die anderen blind sind. Du hast die fünf Täter sowie die beiden Philippiner, die überlebt haben, aus nächster Nähe gesehen. Du könntest auf Fotos stoßen, die dir Fakten enthüllen, während wir sie ignorieren würden. Du kannst Gespräche belauschen, die dir als Schlüssel zu neuen Informationen dienen, während andere nicht einmal das Schlüsselloch erkennen. Gerade weil du ein stinknormaler Bulle bist, wird man dir glauben.«
»Ja ja, aber wenn ich diesen Machec oder einen seiner Kumpane sehe, dann ist sehr wahrscheinlich, daß auch er mich sieht. Aha, sagt dann sein Mörderverstand, dieser Hassel und Odler sind ein und dieselbe Person, und die müssen wir beseitigen.«
»Das Risiko ist minimal.«
Vor Wut zu schnauben war nie meine Art gewesen, aber nun konnte ich es mit jedem Stier aufnehmen.
»Das sagst du, weil du es nicht tragen mußt! Die werden mich im nächsten Gebüsch erledigen, falls sie überhaupt so lange warten.«
Wenn er gefragt hätte, ob ich mich fürchtete, ich hätte ihm ein lautes Ja entgegengeschmettert, doch er war klug genug, mich nicht zu provozieren.
»Sie werden dich bestimmt nicht wiedererkennen.«
»Nein, denn ich habe mich ja von einem plastischen Chirurgen operieren lassen und nenne mich nun Mademoiselle Fifi.«
»Rolle, deine Visage ist total verändert. Du bist glattrasiert, das macht viel aus. Bald sind deine Haare nachgewachsen, und auch deine Körpersprache ist ganz anders.«
»Meine was?«
»Warum, glaubst du, können große Schauspieler so viele unterschiedliche Charaktere überzeugend darstellen?«
»Glauben, glauben, das scheint dein Lieblingswort zu sein.«
»Weil sie für jede neue Rolle eine eigene Körpersprache entwickeln. Ein Totengräber zum Beispiel …«
»Vielen Dank für den Vergleich, kein Beruf hätte besser passen können.«
»Ein Totengräber bewegt sich natürlich ganz anders als, sagen wir, ein Jagdpilot.«
Ich wischte mir den Mund mit der Serviette ab und verbeugte mich ironisch.
»Malmsjö und Kulle und Strandberg und Järegard und Hassel, diese begabten Schauspieler, sind ob dieser Analyse erfreut, jedoch nicht verwundert. Verdammt, Carl, rede doch keinen Unsinn! Ich kann nicht einmal eine einfache Replik so einstudieren, daß sie natürlich klingt. Einen schlechteren Mimen als mich gibt es auf der ganzen Welt nicht!«
»Nein, Stücke auswendig zu lernen, ist wirklich nicht deine Sache. Aber ich bin überzeugt, daß du ein Naturtalent bist, wenn es darum geht, den Charakter eines anderen Menschen anzunehmen. Als du Johnny Odler warst, wußtest du intuitiv, wie du aufzutreten hattest. Deine Art, dich zu bewegen, war anders als deine gewöhnliche, du sprachst und benahmst dich anders, du schautest wie Odler und nicht wie Hassel. Deine ganze Ausstrahlung verwandelte sich.«
Da ich seinen Plan nicht akzeptieren wollte, weigerte ich mich auch, seine Theorie anzuerkennen. Doch ich wußte, daß er recht hatte. Wenn ich ein Talent besaß, dann jenes, mich in typische Verhaltensweisen einer Person einzufühlen.
»Okay, sie werden mich nicht im nächsten, sondern erst im tibernächsten Gebüsch erledigen, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher