Roland Hassel - 14 - Piraten
Zwangssituation zu Schaden kommen, wirst du dafür bezahlen. Die Konsequenzen wären mir völlig egal!«
Für nachmittags um vier hatte Simon eine außerordentliche Besprechung angesetzt. Das war ungewöhnlich, genauso ungewöhnlich wie die Tatsache, daß sämtliche Kollegen anwesend waren. Ich kannte Simon besser als die anderen und merkte sofort, daß sich hinter seiner polterigen Gemütlichkeit Unsicherheit verbarg. Vielleicht auch Verdruß, aber das wäre wirklich sehr ungewöhnlich.
»Wird es lange dauern?« wollte Myrna wissen. Demonstrativ schaute sie auf ihre goldene Uhr, die sie selten ablegte, denn sie war ein Geschenk ihres Freundes Hasse zu einem runden Geburtstag. »Ich habe noch mächtig zu tun, bis die Freiheitsglocke schlägt, und außerdem weiß ich noch nicht, was ich heute abend kochen soll.«
»Mach eine Konserve auf«, schlug Simon vor. »Saure Heringe zum Beispiel.«
»Da kennst du Hasse schlecht. Wenn ich ihm saure Heringe vorsetze, bekomme ich was auf meinen süßen Hintern.«
»Es wird nicht allzu lange dauern; ein paar Sachen nur. Eine Bande internationaler Taschendiebe ist auf dem Weg in die Stadt, um hier ihr Glück zu versuchen. Rolf hat Fotos und nähere Informationen über die Gesellschaft.«
Öhman verteilte Mappen an uns. Zwei Engländer, ein Franzose, eine Amerikanerin. Sie sahen nett und fröhlich aus, Menschen in den besten Jahren. Geschickte Taschendiebe sind schwer zu fassen, denn sie arbeiten im Team. Eine gestohlene Brieftasche wird sofort weitergegeben; damit fehlt es an Beweismaterial. Der Dieb zieht ein beleidigtes Gesicht und streitet alles ab. Sie kommen gern nach Stockholm, aber selten zu so später Jahreszeit, wenn die Leute ihre Jacken und Mäntel bis oben hin zuknöpfen. Andererseits sind die Schweden immer noch viel zu vertrauensselig und wollen nicht begreifen, daß es unehrliche Typen gibt, die keinen Respekt vor persönlichem Eigentum haben.
»Sune, die Festnahme von Acke Hansson in dem Gartenhäuschen war ein Meisterstück! Wie hast du ihn dazu gebracht, sich zu ergeben? Sonst neigt er doch dazu, sich den Weg freizuschießen …«
Sune Bengtsson zuckte nicht einmal die Schultern, sondern schraubte eine Zigarette in sein langes Mundstück und zündete sie an. Pelle riß das Fenster auf und wedelte demonstrativ mit den Händen. Es war ein altes, abgenutztes Ritual. Simon räusperte sich.
»Eine andere Sache. Gestern wollten die Jungs vom Gewaltdezernat Arne Ekberg verhaften, bekannt unter seinem Spitznamen Rambo. Ein ekelhafter Typ, wenn ihr meine Meinung hören wollt. Unsere Abteilung hat die Vorarbeit geleistet, doch als die Kollegen kamen, war der Vogel in aller Eile ausgeflogen. Rambo hat nicht einmal seinen Schlagring mitnehmen können. Er wird sich richtig nackt fühlen.«
Myrna verzog das Gesicht, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen, und Pelle schlug mit der Faust auf seine Handfläche. Was Rambo anging, stimmten wir voll und ganz mit Simon überein.
»Er wird verdächtigt, einen Einwanderer niedergeschlagen zu haben, bloß weil der nicht schwedisch aussah. Er hat ein farbiges Mädchen in einer U-Bahnstation mißhandelt; sie bleibt ihr Leben lang gezeichnet. Außerdem ist er zusammen mit ein paar gleichgesinnten Kretins verantwortlich für einen Brandanschlag auf einen Tabakladen, der von einem Einwanderer geführt wird. Geführt wurde, muß man sagen, denn er mußte aufgeben. Rambo wird uns vieles erklären müssen, wenn wir ihn schnappen.«
Sune rauchte ungerührt, und man konnte schwer feststellen, ob er überhaupt zuhörte. Inzwischen war er fast nur noch körperlich anwesend; niemand wußte, wo sich seine Gedanken herumtrieben.
»Rambo ist Mitglied von ViSve; ihr wißt, Vitt Sverige, Weißes Schweden. Allgemein herrscht die Auffassung, daß Rambo von einem anderen ViSve-Mitglied gewarnt wurde, so daß er fliehen konnte. Aber von wem?«
Wir schauten uns an und fühlten uns unbehaglich, als Simon fortfuhr:
»Nur wenige wußten, daß wir ihm auf den Fersen waren. Ich bin verpflichtet zu fragen, ob jemand von euch vielleicht aus Versehen etwas geäußert hat, was in falsche Ohren gedrungen sein könnte?«
Auch wenn ich nicht gemeint sein konnte, denn ich hatte ja längere Zeit nicht an den Fahndungen teilgenommen, empfand ich die Situation als bedrückend. Ein Kollege stand unter Verdacht. Simon richtete einen träumerischen Blick auf Sune und fragte leise:
»Sune, du bekamst die Informationen von …«
»Wie bitte? Wovon redest
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