Roland Hassel - 14 - Piraten
du recht.«
»Sorry und so weiter, Carl, aber der Chef von Interpol sollte den Auftrag selbst übernehmen – falls er die Voraussetzungen mitbringt.«
»Wo du nicht recht hast, hast du unrecht. Laß uns logisch denken. Wie wäre es, wenn wir zusammen essen gehen?«
Ich schüttelte so nachdrücklich den Kopf, daß die Halsmuskeln wehtaten.
»Glaub nicht, daß du mich wie beim letzten Mal überreden kannst. Und wenn du mich besoffen machst, ich unterschreibe nichts. So was funktioniert heutzutage auch bei der Fremdenlegion nicht mehr.«
»Darum geht es doch gar nicht. Was hältst du von einem längeren Spaziergang? Vielleicht stellt sich der Appetit unterwegs ein. Auf das Essen, meine ich. In meinem jetzigen Job muß ich viel zu viel sitzen.«
Liebevoll klopfte er sich auf sein ansehnliches Bäuchlein, doch mit Simons gemütlicher Leibesfülle konnte er keinesfalls mithalten. Nun gut, ein wenig Bewegung konnte nicht schaden und verpflichtete zu nichts.
Der Morgen war ziemlich kalt, doch es war windstill, und eine bleiche Sonne brachte sich zwischen leichten Wolken in Erinnerung. Wie immer steckte ich die Hände in die Jackentaschen. Hiller bevorzugte einen feschen Mantel mit elegantem Hut, der ihm das Aussehen eines erfolgreichen Filmproduzenten verlieh. Wie die geborenen Flaneure schlenderten wir den Drottningholmsvägen in Richtung Bromma hinauf. Wenn es ihm um Bewegung ging, konnten die Kalorien zufrieden sein, denn auf dieser Strecke wurden nicht viele von ihnen verbraucht.
Um zehn Uhr war die Rush-hour vorbei, doch der Verkehr zwischen der City und den westlichen Vororten ist immer dicht, so daß man die Abgase trotz frischer Luft wahrnimmt. Mir machte es nichts aus; die Mischung aus Benzin, Öl, chemischen Nebenprodukten und verbranntem Gummi ist kein Problem für ein Großstadtkind.
Hiller erzählte von anderen Metropolen, in denen er gearbeitet hatte. Ich hörte mit halbem Ohr zu und warf ab und zu ein Wort ein, um den Monolog in Gang zu halten. Diesen Weg hatte ich lange nicht mehr zu Fuß zurückgelegt. Normalerweise fährt man ihn im Auto oder mit der U-Bahn. Gemächlich passierten wir das alte Holzhaus, früher Krillans Krog und heute Gastronomieschule. Das Gebäude soll einst Jagdschloß der Königin Kristina gewesen sein, aber dieser Ruf eilt ja jedem älteren Kiosk voraus.
»… und du weißt, New York ist ein Hexenkessel, der …« Ein Teil des Verkehrs bog nach links zum Essingeleden ab, wo große Schilder verkündeten, daß einige Fahrspuren wegen Bauarbeiten gesperrt waren. Wir Stockholmer wunderten uns schon eine ganze Weile, warum man Brücken baute, die ständig repariert werden mußten.
»… in den sechs Monaten, die ich in Lissabon verbrachte …« Jetzt ging es hinauf zur Kuppe der Tranebergsbron, und mich beschlich ein ungutes Gefühl, denn hier hatte ich vor gar nicht so langer Zeit furchtbare Sachen erlebt. Doch die Aussicht ist unvergleichlich. Hiller lehnte sich über das Geländer und schmatzte genüßlich mit den Lippen, als hätte er eine Delikatesse vor sich.
»Ich hoffe, daß ich bald wieder nach Stockholm ziehen kann. Nichts geht über diese Stadt!«
»Gefällt es dir nicht in Wien?«
»Äh! Wien lebt von dem Ruf, den es sich während des Kongresses von 1814 erworben hat, die Stadt des Lächelns und des Leichtsinns zu sein. Ich glaube, das war schon damals ein Gerücht. Wenn ich nach Stockholm zurückkehren kann, kommt möglicherweise auch meine Ehe wieder in Ordnung. Man soll nicht arm und allein leben.«
»Von Armut kann bei deinem dicken Gehalt wohl nicht die Rede sein.«
»Das sagst du!«
Bald erreichten wir den Brommaplan. Hiller schaute auf die Uhr.
»Früher habe ich manchmal im Bromma-Hotel gegessen. Was meinst du? Es wird Zeit, mal wieder etwas zwischen die Zähne zu bekommen.«
Das war ein Argument, und außerdem konnte auch ich mich gut an das Hotelrestaurant erinnern. Das Lokal entsprach unseren Erwartungen, und das frikassierte Hähnchen schmeckte tadellos.
»Um auf die Logik zurückzukommen …«
»Verdirb mir bitte nicht den Appetit. Während des Essens möchte ich nichts hören.«
Nach einer Weile hatte er den letzten Bissen genossen und bestellte Kaffee und Tee.
»Jetzt sind wir satt und logisch. Die Sache mit den Odeoniten ist äußerst kompliziert. Interpol hat keine Handhabe gegen sie; nicht einmal das kleinste Vergehen liegt vor. Da schließt sich der Kreis. Wir bekommen keinerlei Unterstützung. Man wird das Ganze als eine politische
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