Rolandsrache
und andere Ratsfrauen, die Bäckerin und selbst die blinde Theresa mit ihrem Maronenstand leisteten ihren Beistand. Nonnen und Kleriker verteilten Brot und Wein oder kümmerten sich um Kranke.
Mechthild war mit allerlei Kräutern und Tinkturen gekommen und versorgte kleinere oder größere Leiden der Menschen. Anna hörte sie mit einem Priester sprechen, der ihr widerwillig den schlechten Zustand des Erzbischofs beschrieb. Ihr den Leibarzt für ein Gespräch zu schicken, verweigerte er jedoch zum Unmut der Kräuterfrau.
»Anna, ich weiß nicht, was ich davon halten soll.« In einer ruhigen Minute nahm Mechthild sie beiseite. »Du entsinnst dich doch noch an den Toten aus der Weser, den ich mir ansehen sollte?«
»Den Narbigen Georg.«
»Genau. Ich bin recht sicher, dass er vergiftet wurde, und habe es den Bütteln mitgeteilt.«
»Wann hast du es denen gesagt?«
»Vor zwei Tagen. Ich musste ja dazu in mein Haus, um einige Kräuter auszuprobieren, bis ich den Geruch fand, nach dem der Narbige gerochen hat, und das konnte ich erst, als die Belagerung vorbei war.«
»Oh, dann wohnst du nicht mehr bei deinem Bruder?«
»Nein, bewahre. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Krach und Radau vier halbwüchsige Knaben machen, wenn der Vater nicht da ist.« Sie stöhnte, und Anna lachte bei der Vorstellung.
»Aber zurück zum Eigentlichen. Deine Erzählung über die Leiden des Erzbischofs hat mich neugierig gemacht. Immerhin weiß ich eine Menge über Krankheiten, und das hat mich angespornt.« Sie machte eine Pause.
Anna war gespannt. »Erzähl«, bettelte sie.
»Nachdem offen bekannt gemacht wurde, wie schlimm es um ihn steht, bot ich meine Hilfe an, die jedoch von diesen Dogmatikern abgelehnt wurde. Also habe ich mir auf dem Markt einen jungen Novizen namens Otto geschnappt und ihm für die eine oder andere Leckerei einen Handel angeboten. Das Gute ist, dass sie in der Kirche auf vieles verzichten müssen und für einen Honigkuchen so ziemlich alles tun würden.«
Claas trat an die beiden Frauen heran und warf Anna einen vielsagenden Blick zu. Bald war es Zeit, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzten und sich langsam davonstahlen, um in Heinrichs Schreibkammer zu gelangen.
»Und was habt ihr hier zu tuscheln?«, fragte er grinsend.
»Nichts für Männerohren«, entgegnete Mechthild freundlich, worauf er sich gespielt schmollend zurückzog.
»Und welchen Handel hast du dem Jungen angeboten?«, flüsterte Anna, und Mechthild fuhr ebenso leise fort: »Er sollte zwei Zuckerstangen erhalten, wenn er mir die Pisse des Erzbischofs bringt.«
»Iiih.« Anna machte eine krause Nase. »Und hat er sie dir gebracht?«
»Was denkst du denn. Damit ich aber sicher sein konnte, drohte ich Otto, dass ich sofort erkennen würde, wenn es nicht die Pisse des Erzbischofs wäre. Nachdem ich sie hatte, machte ich einige Untersuchungen. Ich bin gestern damit fertig geworden. Jetzt kommt das Eigentliche: Ihm wird dasselbe Gift verabreicht, an dem der Narbige Georg starb. Nur in einer viel kleineren Menge. In der Art, wie er es zu sich nimmt, und wenn er dies regelmäßig tut, wird er nicht augenblicklich sterben. Er wird langsam immer schwächer werden und schließlich qualvoll aus dem Leben scheiden.«
»Das ist ja furchtbar. Und schließt du daraus, dass der Gleiche, der den Narbigen getötet hat, dafür verantwortlich ist?«
Mechthild sagte nichts, aber sie nickte.
Es passte alles zusammen. Heinrich wäre der Nachfolger des Erzbischofs. Die Kirche wollte Bremen halten und weiterhin ein Mitspracherecht am Geschehen in der Stadt haben. Heinrich sorgte also jetzt schon für sein kommendes Amt vor, wenn er die Statue des Roland vernichten ließ.
»Kann der Erzbischof gerettet werden?«
»Wenn er sofort nichts mehr von dem Gift erhält und es mit entsprechenden Mitteln aus seinem Körper gespült wird, wäre es möglich.«
»Du musst ihn warnen«, sagte Anna.
»Verrate mir, wem von den Kirchenmännern können wir vertrauen?«
Anna zuckte mit den Schultern.
»Siehst du, deswegen habe ich bisher geschwiegen, aber es ist nicht richtig.«
»Und nun?«
»Das weiß ich nicht.« Mechthild warf den umherlaufenden Priestern einen verärgerten Blick zu. »Diese Narren lassen mich ja nicht zum Erzbischof.«
»Und was ist mit dem, der dich vorhin über den Zustand des Erzbischofs informiert hat?«
»Hat es ebenfalls verweigert.«
Angestrengt dachte Anna nach. Den Weg in seine Gemächer kannte sie. Leider wurde die Tür von zwei
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