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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Wie ich leider sehen musste, hat deine Strenge mit den Novizen offenbar nicht nachgelassen. Hast du Gott um eine mildere Hand gebeten, wie ich es dir beim letzen Mal geraten habe?«
    »Jeden Abend, Euer Exzellenz.«
    »Gott wird dir Prüfungen auferlegen.«
    »Ja, Euer Exzellenz.«
    »Begleite mich ein Stück. Wir wollen uns unterhalten.«
    Gehorsam schritt Heinrich neben seinen Onkel in Richtung Kapelle.
    »Bist du dir immer noch sicher, dass der von dir gewählte Weg für dich der richtige ist? Schließlich sollst du eines Tages meine Nachfolge antreten, und ich habe meine Zweifel.«
    »Ich bin mir sicher. Ich wollte nie etwas anderes.«
    Der Bischof warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Ich erinnere mich, dass du sehr wohl etwas anderes wolltest, ehe ich dich mit zu mir nach Verden nahm.«
    Heinrich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das war das törichte Denken eines Knaben. Ich bin erwachsen geworden und gereift unter Eurer Obhut.« Und doch wusste er, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach, was er sagte, denn bei dem Gedanken an damals verspürte er einen Stich in dieser alten Wunde.
    »Dann musst du an dir arbeiten, denn du bist zu hitzköpfig, und deine Hand zeigt mehr Strenge als Güte. Bete weiter darum, denn auch ich bete ständig, dass mir vergeben wird, was ich dir damals antat.«
    ***
    Die kleine Kirche des Benediktinerklosters war beinahe voll. Dicht an dicht drückten sich die Menschen zusammen und erfüllten die Kapelle mit leisem Flüstern und Wispern. Jeder Laut hallte von der hohen Decke wie das leichte Brausen des Windes auf sie hernieder. Die meisten Gesichter kannte Anna, und als sie sich umsah, fing sie viele wohlwollende Blicke auf.
    Weit vor ihnen stand der geschlossene hölzerne Sarg, dahinter erhob sich der schlichte Altar mit dem steinernen Kreuz, das eine Gabe der Steinmetzgilde war und Anna schmerzlich an ihren Vater erinnerte. Überall brannten Kerzen in geschmiedeten Halterungen. Sie brachten ein warmes Licht in die Pfarrkirche, die an diesem wolkenverhangenen Vormittag noch düsterer als sonst auf Anna wirkte. Weihrauch und Schwefel lagen schwer in der Luft und machten ihr das Atmen schwer. Beklommen hielt sie mit einer Hand die ihrer Mutter fest umschlossen. Mit der anderen schob sie sich eine hervorlugende Haarsträhne wieder unter das schwarze Tuch, das sie zusammen mit dem neuen dunklen Kleid aus weicher Wolle als Zeichen der Trauer angelegt hatte. Ihre Mutter trug die gleichen Kleider und einen schwarzen Wollmantel. Ihre Tante hatte die Sachen auf dem Tuchmarkt erstanden, und auch sie und die Basen hatten heute solche Kopfbedeckungen auf.
    Es hatte Anna eine Menge an Überredung gekostet, ihre Mutter dazu zu bringen, die Sachen anzuziehen. Sie hatte es einfach nicht einsehen wollen. Aber es sei doch niemand gestorben, hatte sie fest behauptet.
    Kalt wehte der Wind durch das offen stehende Portal, und die Kerzen begannen zu flackern. Anna zog fröstelnd ihren Kragen enger und drückte sanft die Hand ihrer Mutter in der Hoffnung, diese damit zu beruhigen. Die Mutter war nervös und sah sich immer wieder mit großen Augen um.
    Der Priester schloss die Tür, und als die Glocke zu läuten begann, schritt er bedächtig in seiner schwarzen Kutte zur Kanzel, die um einige Stufen über die Menschen erhoben war. Stille trat ein, als er die Hände hob und seine Ansprache mit einem Gebet begann.
    Nach dem gemeinsamen Amen läutete ein weiteres Mal die Totenglocke in ihrem schwermütigen, monotonen Klang. Anschließend pries er die Verdienste Jacob Oldes für Stadt und Kirche, doch Anna bekam davon kaum etwas mit, sie war vollkommen auf ihre Mutter bedacht, die ihre Hände nun bei sich hatte und sie nervös knetete.
    »… und möge seine Seele in Frieden ruhen und anheimfahren zu Gott, dem Allmächtigen.«
    »Wer war der Verstorbene, müssten wir ihn nicht kennen?«, wollte Magda flüsternd von ihr wissen.
    Hilfesuchend drehte sich Anna zu Mechthild um, die direkt hinter ihnen stand und alles gehört hatte. Mechthild drückte die Schulter von Annas Mutter und begann, leise auf sie einzureden, die sich ebenfalls zu ihr umdrehte, jedoch bereits nach Kurzem mit zorniger Miene wieder nach vorn sah.
    »Mechthild muss dem Wahnsinn verfallen sein. Stell dir vor, sie sagt schon wieder, es wäre dein Vater dort im Sarg!«, flüsterte sie aus dem Mundwinkel und schüttelte fassungslos den Kopf. »Sag du mir wenigstens, wer der Tote wirklich ist.«
    »Aber Mutter

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