Rolandsrache
nicht ändern.«
»Vom Kaiser?« Sie war fassungslos und musste sich bemühen, ihr Gegenüber nicht mit offenem Mund anzustarren. Nervös spielte sie mit einem Wollfaden ihres Muffs.
Hemeling nickte. »Ja, von ihm persönlich, und Anna, glaube mir, es steht viel auf dem Spiel. Die Statue muss wie vereinbart in zehn Monaten fertig sein.«
Damit stellte sich der Kaiser offen gegen die Bremer Kirche!
»Was passiert, wenn Bremen den Roland bis dahin nicht aufgestellt hat?«
»Wenn an dem Tag kein Roland die Stadt ziert, gibt es kein freies Marktrecht für uns. So lautet die Abmachung. Es wird keinen Kampf und kein Verhandeln geben. Das haben wir alle unterschrieben. Er hat uns großzügigerweise diese Möglichkeit gegeben, darum muss Bremen die Figur dann vorzeigen.«
Er machte eine Pause, doch Anna sah ihm an, dass er noch mehr zu sagen hatte, und wartete.
»Ich vermutete, dass ihr nicht weitermachen könnt, und habe mit Friedrichs gesprochen. Er ist bereit, die Verpflichtung trotz der verstrichenen Zeit einzugehen und euch die fertigen Teile abzukaufen. Jedoch nur für den Preis, den sie ursprünglich gekostet haben, und auch nur die unbeschädigten Teile. Aber ich werde noch einmal mit ihm reden und versuchen, einen besseren Preis auszuhandeln.«
Für eine Sekunde entglitt ihr der bisher entschlossene Ausdruck, und sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, doch ehe er es bemerkte, hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Dieses Angebot ist ungeheuerlich und nicht mal eines Halsabschneiders würdig. Was ist mit den restlichen Schulden?«
»Ich kann deinen Zorn verstehen. Doch die Schuld kann ich euch leider nicht erlassen, unsere Truhen sind beinahe leer, und auch ich muss Rechenschaft ablegen. Außerdem könnte die Stadt die fertigen Teile gegen euren Willen einziehen, und ich würde nur ungern diesen Schritt gehen, Anna.«
Ihr Herz begann zu klopfen, ihre Hände wurden nass. War es am Ende ein Fehler, dass sie hergekommen war?
»Aber wie sollen wir dann je das Geld zurückzahlen?«
Hemeling rutschte verlegen auf seinem großen Stuhl hin und her. »Wenn der Rat es will, müssen wir das Pfand einfordern oder deine Mutter …« Er druckste herum.
»… muss in den Schuldturm«, beendete sie den Satz.
Er nickte.
»Aber wir können doch nichts dafür!« Nun fühlte sie sich wirklich wie ein hilfloses Kind, das um eine Näscherei bettelt.
»Sei versichert, dass ich das weiß und alles tun werde, was in meiner Macht steht, um euch zu helfen. Doch ich habe Gegner im Rat. Sie warten nur darauf, dass ich einen Fehler begehe, damit sie sich wie die Wölfe auf mich stürzen können.«
Welchen Ausweg gab es jetzt noch? Wenn Friedrichs die Arbeit fortsetzen würde, wäre auf jeden Fall alles verloren. Sie selbst mussten diese Statue zu Ende bringen.
»Dann wird sie zum genannten Datum fertig sein.« Entschlossen stand Anna auf.
Auch Hemeling erhob sich mit erstauntem Gesicht und blieb neben seinem Pult stehen. »Aber Anna, wie soll das gehen? Dazu bräuchte es ein Wunder!«
»Mit Gottes Hilfe werden wir es schaffen. Lasst Friedrichs bitte noch eine Weile warten, ehe Ihr ihm zusagt. Das ist das Einzige, um das ich Euch bitte.«
»Das kann ich nicht. Wenn noch mehr Zeit verstreicht, würde auch er nicht mehr fertig werden. Es tut mir leid.«
»Wenn es uns nicht gelingt, kann er die bereits begonnenen Teile von Vater umsonst haben. Damit hätte er genug Geld gespart und könnte Dutzende Mannen dafür entlohnen, ihm zu helfen. Reicht das?« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen.
Prüfend sah Hemeling sie an, klopfte nervös mit seinem Zeigefinger auf dem Schreibpult herum, während Anna meinte, ihr Herz müsse ihr zum Halse herauskommen. Dann ergriff er entschlossen ihre Hand und lächelte gequält.
»Du bist zäher im Verhandeln als mancher Mann. Ich gebe euch sechs Wochen ab dem Tag der Beerdigung, dann werde ich begutachten, wie weit ihr seid.«
»Danke, Herr Hemeling.« Sie musste sich in dem Verlangen bremsen, ihm um den Hals zu fallen, und strahlte über das ganze Gesicht.
»Dein Dank ist verfrüht. Noch ist nichts entschieden.«
Sie nickte, denn er hatte recht. »Ich habe noch eine Frage. Was tun Eure Büttel, um die Mörder zu finden?«
»Waren sie noch nicht bei euch?« Nun wirkte er ehrlich überrascht.
»Nein.«
»Dann werde ich sogleich mit dem Vogt sprechen und ihn anweisen, dass er sie zu euch schickt.«
»Gut, wir erwarten sie dann.« Sie wusste jedoch, dass man sich auf die hiesigen Büttel
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