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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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nicht verlassen konnte. Zu viele Geschichten um deren Faulheit und Bestechlichkeit waren im Umlauf.
    »Ich hoffe, dass sie die Mörder deines Vaters finden. Noch etwas: Wenn ihr jetzt weitermacht, habt ihr dann für die nächste Zeit an euren Schutz gedacht?«
    Die Frage traf sie unvermittelt, denn sie hatte vollkommen verdrängt, dass es wieder geschehen könnte.
    Die Mörder liefen noch frei herum. Sie musste mit Claas darüber sprechen.
    »Um ehrlich zu sein, bisher noch nicht«, gab sie zu und senkte verlegen den Blick.
    »Ich kann im Moment keine Leute abstellen, denn sie müssen das Land der Ratsherren Detward und Vasmer bewachen. Ich biete euch an, hier unter unserem Schutz in einer der Werkstätten weiterzumachen. Auch im Hof des Zunfthauses wärt ihr sicher.«
    »Danke. Ich rede noch heute mit Claas.«
    Hemeling nickte erneut. »Er wird wissen, was das Beste ist. Ich wünsche euch alles Gute, und wenn ihr etwas braucht, lasst es mich wissen.«
    Draußen hatte sie das Gefühl, dass ihre Knie nachgeben würden, aber sie verließ mit erhobenem Kopf das Amtsgebäude. Auch wenn sie sich von den vielen Bedenken erdrückt fühlte, so hatte sie dennoch einen kleinen Sieg errungen.

3
    Nur mit Mühe konnte Heinrich den jungen Novizen an den Ohren hinter sich herziehen. Während dieser versuchte, mit ihm Schritt zu halten, wurde sein Weinen immer lauter. Er wollte auf keinen Fall, dass die anderen Geistlichen sie hörten.
    »Still, oder ich greife noch härter zu«, zischte Heinrich durch die Zähne und blieb einen Moment stehen, um den Knaben düster anzusehen. Er war ein ausgesprochen hübscher Junge, mit ebenmäßigem Gesicht und leuchtend grünen Augen, die voller Tränen standen, welche sich in Bächen über seine rosigen Wangen ergossen. Doch das beeindruckte Heinrich nicht, denn der Junge hatte es verdient, bestraft zu werden.
    »Ja, Euer Hochwürden«, schluchzte der Novize und versuchte, seine Stimme zu dämpfen.
    »Hättest nicht stehlen sollen. Es steht schon in der Heiligen Schrift, in den zehn Geboten, und die solltest du kennen.«
    »Aber ich habe es nicht ge–«, begann er zum wiederholten Male, doch Heinrichs freie Hand zuckte vor und verpasste ihm eine Ohrfeige.
    »Aua«, schrie der Junge, verstummte aber sofort wieder.
    »Auch steht in der Bibel: ›Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen!‹« Heinrichs Wut steigerte sich, als der Junge sich die Wange rieb und ihn flehend ansah. Er selbst war mit harter Hand erzogen worden, und es hatte ihm nicht geschadet. Wie sollte das Kind lernen, was Recht und was Unrecht war, wenn nicht durch Strenge? Unter seinem drohenden Blick senkte der Novize schließlich die Augen zu Boden.
    »Wie ist dein Name?«
    »Otto, Euer Hochwürden.«
    »Folge mir, denn ich werde dich lehren, dass man weder lügen noch stehlen darf.«
    Panisch sah sich der Junge nach allen Seiten um, doch ehe er den Versuch einer Flucht unternehmen konnte, hatte Heinrich ihn fester gepackt und setzte seinen Weg durch den sandfarbenen Säulengang fort. Als er um die nächste Ecke biegen wollte, stand ausgerechnet der Erzbischof vor ihm und blickte argwöhnisch auf die Situation.
    »Was geht hier vor?«
    Es war Heinrich zuwider, dass er ihn vor dem Jungen befragte, doch sein Onkel, der Erzbischof, war das Oberhaupt der hiesigen Kirchengemeinden und stand nun mal im Rang über ihm.
    »Euer Exzellenz.« Heinrich küsste den Bischofsring. »Der Novize Otto wollte mich bestehlen und streitet alles ab. Ich habe ihn dabei überrascht, wie er ein Pergament aus meinem Schrank nehmen wollte. Und nun behauptet er dreist, Ihr hättet ihn geheißen, dies zu tun.«
    »Lass ihn los, Heinrich, denn er spricht die Wahrheit.«
    Verwundert starrte Heinrich seinen Onkel an. »Das konnte ich nicht wissen, Euer Exzellenz.«
    »Ich weiß, und ich will es dir gern erklären, aber zuvor lass den Jungen gehen.«
    Nun wurde Heinrich bewusst, dass er noch immer das Ohr des Novizen umklammert hielt. Augenblicklich ließ er los. Otto rieb sich die gerötete Stelle, aber nicht ohne ihm einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen.
    »Geh und hole das Pergament, auf das ich warte, und bring es in meine Räume.« Der Erzbischof lächelte Otto freundlich an, welcher nur zu gern der Aufforderung nachkam und das Weite suchte.
    »Ich schickte ihn tatsächlich mit der Bitte zu dir, mir ein paar deiner Pergamente zu bringen, denn meine sind mir ausgegangen, und ich erwarte längst eine Lieferung aus Hamburg, die noch nicht eingetroffen

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