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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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Annas und Claas’ Familien waren übrig. Gemeinsam standen sie um das Grab herum.
    Da Blumen in dieser Jahreszeit schwer zu bekommen waren, hatte Anna mit ihren Basen und der Tante ein Gesteck aus Tannenzweigen und Buchsbaum geflochten, das ihre Mutter nun laut klagend auf den frischen Erdhügel legte. Claas verharrte ihnen gegenüber und blickte mit starrer Miene wortlos auf das grüne Gesteck.
    Nachdem sie eine Weile so beisammengestanden hatten, machte man sich langsam auf den Heimweg. Anna blieb noch einen Moment und betete stumm für das Seelenheil ihres Vaters, ehe sie schließlich den anderen folgte.
    Der Abschied von Claas’ Mutter fiel Anna schwer, aber Frau Zellheyer versprach, sie wieder zu besuchen.
    Auf dem Rückweg vom Friedhof hatte die sichtbar geschwächte Magda Olde entschlossen nach einer Erklärung für all das Geschehene verlangt, und da sie nun bereit war, es zu glauben, berichteten sie ihr so behutsam wie möglich, was sich zugetragen hatte. Es nahm sie so sehr mit, dass sie beim Laufen immer wieder kraftlos zusammensackte.
    Zu Hause brachten Anna und ihre Tante die erschöpfte Mutter zu Bett. Ein wenig Schlaf würde ihr sicher helfen, das Erlebte zu verarbeiten.
    Anna saß nun am Bett der Mutter, hielt ihr die glühend heiße Hand und legte ihr kalte Tücher auf die Stirn, bis sie schließlich unter Tränen einschlief. Mit sorgenvoller Miene verließ Anna leise die Kammer und ging zurück in die Küche, aus der es nach frischem Würzwein und deftiger Suppe roch. Ihre Tante stand am Herd und rührte in einem Topf. Die Basen besorgten etwas auf dem Markt, sodass es im ganzen Hause sehr still war.
    Ihre Tante drehte sich zu ihr um. »Ist deine Mutter eingeschlafen?«
    »Ja, endlich. Sie war so kraftlos.«
    »Schlaf wird ihr guttun.« Mit einem aufmunternden Lächeln griff die Tante das warme Brot, schnitt eine Scheibe davon ab, goss dann einen Becher voll Wein und reichte Anna beides. »Setz dich, du musst etwas essen, sonst wirst du am Ende noch krank. Siehst auch schon ganz blass aus.«
    Dankbar nahm Anna das warme Getränk und das Brot, ließ sich erschöpft auf den Stuhl sinken und merkte erst jetzt, wie müde und erschlagen sie tatsächlich war. Ihre Tante nahm sich ebenfalls einen Becher.
    »Setzt du dich zu mir?«, fragte Anna.
    »Geht nicht, muss auf die Bohnensuppe achten, sonst verbrennt sie mir noch. Ist ein leckeres Stück Fleisch drin, und es wäre schade drum.« Sie nahm einen Schluck aus dem Becher, stellte ihn auf den Tisch und rührte kräftig im Topf.
    Anna kaute lustlos auf dem Brot herum, zwang sich jedoch, die Scheibe aufzuessen. Die Stille wollte sie erdrücken, doch sie wusste nichts zu sagen, und so beobachtete sie, mit welcher Hingabe ihre Tante die Mahlzeit zubereitete. Sie probierte, sah nachdenklich nach oben, tat noch etwas Bohnenkraut und Liebstöckel hinzu und rührte sichtbar zufrieden weiter.
    Die Tür klappte auf, und ihr Onkel kam schweigend herein, entledigte sich ächzend seiner Stiefel und setzte sich mit ernster Miene neben sie.
    Dann nahm er sich von dem Brot, bestrich es mit viel Schmalz und frischem Käse und begann herzhaft zu essen. Ehe er die Scheibe komplett verschlungen hatte, sprach der sonst wortkarge Onkel Anna unerwartet an.
    »Wir haben noch nicht darüber geredet, aber es wird Zeit, dass wir uns Gedanken über euer Auskommen machen. Nach einer angemessenen Trauerzeit würde eine standesgemäße Vermählung von dir oder deiner Mutter euer Fortbestehen sichern.«
    Beinahe hätte Anna sich an dem Wein verschluckt. Sie sah ihren Onkel über den Rand ihres Bechers hinweg mit geweiteten Augen an und schluckte heftig, ehe sie sprechen konnte. »Heiraten, ich oder Mutter? Wie, um alles in der Welt, kommst du darauf, dass wir das tun sollten? Wir haben das Land und ein Recht, von der Zunft Aufträge zu erhalten.«
    Er schüttelte beinahe bedauernd den Kopf. »Leider ist es nicht so einfach. Euer Priester sagte mir heute, dass dein Vater ein Testament hinterlassen hat.«
    Anna sah ihn mit fassungsloser Miene an. »Warum hat er das getan?«
    »Vermutlich war er in Sorge um euch und um die Werkstatt.«
    »Aber das braucht er doch nicht«, protestierte Anna, wusste aber, dass es vergeblich war. »Was steht in dem Testament?«
    »Dass ich mich um eure Belange kümmern soll, und das werde ich auch tun. Ich suche einen Ehemann für deine Mutter.«
    »Aber die Zunft muss uns Aufträge geben, das wusste Vater, es kann nicht in seinem Sinn sein, dass du Mutter

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