Rolandsrache
angenehm wie möglich zu machen.
Als Erstes fiel ihr Blick auf das neue Ehebett, welches dem alten Platz gemacht hatte. Hier also sollte sie mit ihm die Nächte verbringen. Mühsam schluckte sie den Gedanken hinunter und strich mit der Hand über die Zudecken. Sie waren von guter Qualität und, ebenso wie die Kissen, prall gefüllt mit Federn. Darauf lag ein blumenbesticktes Nachthemd für sie und auf der anderen Hälfte ein schlichtes Hemd für Claas. Getrocknete Blütenblätter waren auf dem ganzen Bett verteilt. Auf dem kleinen Schrank stand ein Krug Wein. Ihre Truhe stand am Bettende, daneben ein großer neuer Schrank. Selbst ein neues Tierfell, ähnlich dem aus Claas’ Haus, das vor seinem alten Bett gelegen hatte, war auf den alten Holzdielen ausgebreitet.
Anna setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. Sie kam sich so fremd und deplatziert in diesem Zimmer vor, das von jeher die elterliche Kammer gewesen war. Das Gesicht ihres Vaters, der ihr so sehr fehlte, schlich sich in ihre Gedanken. Und sie war ausgerechnet mit dem Mann verheiratet, der vielleicht eine Teilschuld an seinem Tod trug. Was hätte sie aber anderes tun sollen, als in diese Heirat einzuwilligen? Traurig vergrub sie ihr Gesicht in den Kissen.
Irgendwann, das Geholper abfahrender Kutschen war längst verstummt, das Kissen, in das sie ihr Gesicht vergraben hatte, nass geweint, ließen Schritte auf dem Flur sie hochfahren. War es nun so weit? Nein, sie wollte nicht hierbleiben, nicht das Bett mit diesem Mann teilen. Hastig stand sie auf, als Claas die Kammer betrat.
»Hier bist du also abgeblieben. Wir haben dich schon vermisst.« Er schloss leise die Tür und sah sie einen Moment an. »Die Verwandten sind fort. Sie hätten sich gern noch von dir verabschiedet, aber wir nahmen an, du würdest schlafen. Stattdessen hast du auf mich gewartet, wie ich sehe. Die anderen sind bereits alle zu Bett gegangen«, sagte er sanft, während er langsam auf sie zukam.
»Ich habe nicht auf dich gewartet.«
»So?« Er stand ganz dicht vor ihr, und der herbe Duft von Moschus stieg ihr in die Nase. Seine Augen glänzten im Schein der Kerzen, von Müdigkeit konnte sie nichts darin sehen. »Du bist aber noch wach.«
Anna wich zurück, bis sie gegen die Kommode stieß. Claas kam weiter auf sie zu, wodurch sie in der Ecke gefangen war. Sie ärgerte sich und fühlte sich wie ein Tier in der Falle. Einfach über die Kommode zu springen, um ihm zu entkommen, kam ihr albern vor.
Zärtlich hob er ihr Kinn an, und sie war gezwungen, ihn anzusehen. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Augen, ganz so, als würde er ihre Gedanken erraten. Einen Moment sah sie ihn böse an, dann riss sie den Kopf herum, und seine Hand hing in der Luft.
Sein Lächeln verschwand. »Hast du Angst vor mir, Anna?«
»Angst, ich habe keine Angst! Ich hätte dich nur nie …«, zischte sie, brach jedoch ab und überlegte, ob sie zu hart gegen ihn war.
»Was hättest du nie?«
Sie suchte nach Worten, wollte ihm entgegenschreien, dass sie ihn lieber hassen wollte, aber der betroffene Ausdruck auf seinem Gesicht ließ sie schweigen. Und plötzlich sah sie wieder den Claas, der ihr Schmetterlinge in den Bauch zauberte, und hin- und hergerissen biss sie sich auf die Lippen.
»Sag mir, was hättest du nie?«
Sie senkte den Blick, konnte es nicht ertragen, ihn dabei anzusehen. »Es war falsch, dass ich deine Frau geworden bin.« Ihre Worte waren ungewollt hart, und sie konnte spüren, wie sie ihn trafen. Anna hoffte, dass er nun gehen und sie in Ruhe lassen würde, doch er blieb, schien über das Gesagte nachzudenken. Erneut fasste er sie unter das Kinn, zwang sie, ihn anzusehen. Er grinste, und in seinen Augen spiegelte sich Verlangen.
Langsam näherte sich sein Gesicht dem ihren, und ihre Wut verrauchte. Sie wollte, dass er sie küsste, und wusste, dass sie verloren hatte, wenn es geschah, wusste, dass sie ihm dann nachgeben würde. Leise machte sich die Stimme wieder bemerkbar, die ihr flüsterte, was er gemacht hatte, und energisch straffte Anna sich.
Sein Gesicht war nun ganz dicht vor ihrem. »Warum hast du es dann getan?«, fragte er zärtlich.
Sie sah ihn an, und dieses Mal antwortete sie ohne Groll: »Blieb mir eine andere Wahl?«
Er sah ihr einen Moment tief in die Augen, forschte regelrecht darin, und Anna spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Und dann küsste er sie ohne Vorwarnung. Sein Kuss war hart, wild und leidenschaftlich. Er weckte etwas in ihr, und es gefiel ihr.
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