Rolandsrache
zu bestreichen, und gab die dicke Masse sorgsam in den Spalt, bis er vollständig gefüllt war, dann strich sie die Stelle glatt. Anschließend zerschlug Stephan mit einem groben Hammer einen Stein, und Anna passte Splitter in die Stellen ein, die kleine Lücken aufwiesen. Wenn die Splitter nicht genau in die Bruchstellen passten, feilte Anna so lange, bis sie passend waren.
Obwohl es draußen kalt war, hielt Franziskus einige Stunden Wache, ehe er sich von seinem Bruder ablösen ließ.
»Wer sind die Männer, die drüben bei den Lagern schaffen?«, wollte er nach seinem Dienst wissen. »Sie haben ein Schiff entladen und mehrfach herübergesehen.«
»Das sind die Hafenarbeiter von Wegener, der sich weigert, seine Waren in der Stadt umzuschlagen. Es ist wohl nichts Verwerfliches von ihnen zu befürchten«, teilte Claas ihm mit. »Habt dennoch ein Auge auf sie, denn wir kennen nicht jeden von ihnen.«
»Machen wir.« Neugierig schaute Franziskus sich an, was sie während seines Wachdienstes gemacht hatten. »Das hast du gut gemacht, Claas.«
»Anna gebührt das Lob, denn das meiste hat sie getan«, erwiderte der Bruder.
»Sie war das?« Franziskus warf Anna, die gerade eine heiße Suppe auf dem Feuer zum Kochen brachte, einen verlegenen Blick zu.
»Sprich ruhig weiter.« Sie sah spitzbübisch von ihrer Arbeit auf.
»So war es nicht gemeint, aber ich habe selten gehört, dass ein Weib Männerarbeit verrichtet, und dann noch so gute.« Franziskus lief rot an, und sie bemühte sich, nicht zu lachen.
»Ich danke dir für dein Lob.«
»Lass dich nicht von ihrem zierlichen Äußeren täuschen. Und etwas Hilfe hatte sie ja.« Claas klopfte dem Bruder auf die Schulter und grinste breit.
Nachdem sie gegessen hatten, fuhren sie mit der Arbeit fort, und schließlich füllte Anna den letzten Spalt. Die Männer klemmten beide Bruchhälften zum Trocknen zwischen zwei schwere Rohblöcke, die sie mühsam dagegenschoben. Nun besserte Anna weitere abgesplitterte Stellen mit Mörtel und kleinen, scharfkantigen Steinsplittern aus. Am Ende sah man außer den Nähten kaum noch etwas von der Beschädigung. Claas beäugte alles sehr genau und nickte zufrieden.
»Das sieht sehr gut aus, ich denke, wenn uns der Kopf nicht vom Rumpf fällt, ist die Arbeit gerettet.«
»Ich finde, es müsste auch den Meistertitel für eine Frau geben.« Franziskus lächelte anerkennend.
Anna vernahm die Worte und erinnerte sich, wer ihr diese Dinge beigebracht hatte. Wie gern würde sie ihrem Vater jetzt die Arbeit zeigen. Ob er wohl stolz auf sie wäre? Sie blinzelte eine Träne fort und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit.
»Hm, so manches Weib kann uns Männern etwas vormachen, aber, dem Herrn sei gedankt, nicht in allem«, lachte Claas.
»Wohl wahr, wohl wahr«, grinste Franziskus breit, und in dem Moment war die Ähnlichkeit zwischen den Brüdern deutlich zu sehen.
Die Nahtstelle zwischen Kopf und Rumpf würde nun einige Tage trocknen müssen, ehe sie es wagen durften nachzusehen, ob die Mörtelschicht hielt. Während dieser Zeit sollte sich Anna an dem etwas einfacheren Wappen versuchen, das erst ganz am Schluss angebracht werden sollte. Bereits am nächsten Tag würden sie beginnen, es anzureißen. Obwohl Anna wusste, wie schwer es werden würde, freute sie sich darauf. Sie hatte sich immer eine solch schwierige Arbeit gewünscht, und nun musste sie sie sogar hauen.
Es war spät geworden, als sie beschlossen, für heute aufzuhören. Claas verschwand, um das Essen zu holen, und Anna richtete in dieser Zeit die Nachtlager für die Brüder in einer gut versteckten Ecke her.
»Mal ehrlich, wie ein frisch verliebtes Ehepaar seht ihr beiden nicht aus. Stimmt was nicht zwischen euch?« Franziskus klang ehrlich besorgt.
»Nein. Es ist nur die Arbeit und der Tod meines Vaters.« Sie drehte sich weg, denn es war ihr unangenehm, darüber zu sprechen.
»Verzeih mir, ich wollte nicht neugierig sein.«
»Ist schon gut.«
Claas kam mit Hühnerkeulen, etwas Pastete, frischem Brot und einem dünnen Wein zurück, worauf Anna das Thema wechselte. »Wird es euch nicht zu langweilig, wochenlang in dieser Halle eingesperrt zu sein?«
»Da hab keine Sorge. Claas will uns hin und wieder ablösen, damit immer mal einer von uns ein richtiges Bett genießen kann.«
Stephans Worte beruhigten Annas Gewissen etwas. »Wir werden euch richtige Betten herschaffen«, versprach sie.
Als sie wenig später etwas von der Pastete gegessen hatte, fielen ihr immer
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