Rolandsrache
sich über eine Spende für die Kirche und einen Termin. Anna hörte mit halbem Ohr zu, während sie sich immer mehr über Heinrichs Worte ärgerte. Er kannte Claas nicht, wusste nicht, was er für ein herzlicher Mensch war. Für den Moment zweifelte sie, ob ihr Vorhaben, sich wieder von ihm zu trennen, richtig war.
***
Ein glühender Pfeil bohrte sich in Claas’ Herz, als er mit ansehen musste, wie der Priester liebkosend Annas Gesicht berührte.
Nachdem er sie am Dom abgesetzt hatte, war er zur Zunft gefahren, um zwei neue Knüpfel in Auftrag zu geben. Das hatte nicht lange gedauert, und sie waren erst in ein paar Stunden wieder verabredet. Eigentlich war er auf den Markt gegangen, um nach der Bäckerin Ausschau zu halten, die vom Narbigen Georg gesprochen hatte. Stattdessen sah er Anna mit einem Priester vertraut wie ein Paar über den Markt flanierten.
Das war also der Grund, warum sie ihre Ehe aufheben lassen wollte. Und er hatte sich eingebildet, dass sich zwischen ihm und Anna alles noch zum Guten wenden konnte. Was für ein Narr er doch war. Anna hatte mit der Ehe vermutlich nur verhindern wollen, dass sie und ihre Mutter alles verlören, und nun hatte sie jemand Besseren gefunden als ihn.
Claas starrte einen Moment auf die Eingangstür des Ladens, in dem die beiden verschwunden waren, und überlegte, hineinzustürzen und sie zu stellen. Aber was würde er damit erreichen? Wütend sah er sich um. Dabei fiel sein Blick auf die nahegelegene Taverne zum »Spitzen Giebel«, und er beschloss, seinen Ärger mit etwas Hochprozentigem herunterzuspülen.
***
Heinrich hatte ihr viele Fragen gestellt. Er wollte wissen, warum sie und Claas geheiratet hätten. Sie begründete es mit der Verwirrung nach dem Tod ihres Vaters. Die anderen Gründe verschwieg sie. Heinrich war von dem Tod ihres Vaters und der Art, wie er ums Leben gekommen war, sehr betroffen und versicherte ihr mehrfach, wie leid ihm das Ganze für sie und ihre Mutter tue. Seine Anteilnahme rührte Anna, und ihr Ärger verrauchte. Er war wirklich fürsorglich um sie bemüht.
Nach weiteren Fragen danach, wo Claas seine Nächte verbringe, wie ihre Mutter über eine Aufhebung denke, was der Onkel dazu sagen würde, rieb Heinrich sich schließlich die Hände und lächelte breit. »Ich denke, seine Exzellenz wird einer Aufhebung zustimmen.«
Er war zuversichtlich und versprach, sich zu melden, sobald es einen Termin gab. Dann hatten sie sich äußerst herzlich voneinander verabschiedet, und Anna war zum alten Rathaus gegangen, da bis zu Claas’ Rückkehr noch genügend Zeit war.
Eben wollte sie an die Tür von Hemeling klopfen, als diese schwungvoll aufgerissen wurde.
»… ich werde es nicht tun, egal was Hoya androht, das hat schon mein Vater nicht getan!«, schimpfte Ratsherr Vasmer und machte einen energischen Schritt aus dem Raum. Als er Anna wahrnahm, blieb er kurz stehen und zog eine Augenbraue nach oben, dann lächelte er sie anzüglich an. »Ich bin sicher, dass Hemeling jetzt in der Stimmung nach etwas anderer Gesellschaft als der meinen ist.« Damit stieß er die Tür auf und bedeutete ihr mit einer einladenden Handbewegung einzutreten.
Anna starrte ihn mit großen Augen an, besann sich aber schnell. »Habt Dank, werter Herr.« Sie schob sich mit erhobenem Haupt an ihm vorbei und schloss zu seinem Erstaunen die Tür vor seiner Nase.
»Anna.« Die überrascht klingende Stimme gehörte Hemeling, der sichtlich betroffen aufstand und auf sie zukam.
»Dem sollte mal jemand Manieren beibringen.« Damit drehte sie sich um und machte einen Knicks.
Hemeling lachte. »In der Tat, das sollte man, aber verzeih, dass du das mit anhören musstest. Hier geht es manchmal sehr hitzig zu, und wir sind nicht immer derselben Meinung.«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das macht mir nichts, ich bin mit Männern aus der Handwerkszunft aufgewachsen, dagegen war dies hier noch höflich. Aber es klang eben so, als würde es wieder Krieg mit Hoya geben.«
Hemeling legte mit ernster Miene seinen Zeigefinger vor den Mund. Verlegen biss Anna sich auf die Zunge, denn der andere Ratsherr konnte noch vor der Tür stehen.
»Er will dem Grafen die Bauern nicht ausliefern, und ich kann es gut verstehen. Leider müssen wir uns deswegen aber auf das Schlimmste vorbereiten«, flüsterte Hemeling und fuhr in normaler Lautstärke fort: »Nimm bitte Platz.«
Damit schob er ihr einen Stuhl hin, und Anna setzte sich. Was sie hier mitbekam, verhieß in der Tat
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