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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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fragen. Auch sie starrte mit offenem Mund auf den Vorhang.
    Einige Minuten verstrichen, dann trat der Zahnreißer mit erhobener Hand hervor. In einer Zange hielt er einen blutigen Zahn in die Luft. Nachdem er ihn herumgezeigt hatte, öffnete er den Vorhang und gab den Blick auf den jungen Mann frei, welcher sich mit der einen Hand die Backe und mit der anderen den Hinterkopf rieb. Dennoch wirkte er erleichtert. Die umstehenden Menschen applaudierten lautstark, und er bemühte sich zu lächeln, während er Blut ausspuckte.
    Heinrich ließ Anna endlich los. »Sehr gut, sehr gut.« Er rieb sich die Hände. »Wartest du bitte kurz auf mich, ich werde dem Kleriker Bescheid geben. Vielleicht lässt er sich ja helfen.«
    »Natürlich, Hei–« Sie besann sich. »Natürlich, Hochwürden.«
    Nachdem er durch das Portal verschwunden war, bahnte Anna sich zielstrebig einen Weg zur Bäckerin, die noch immer in der Menge am Fuß der Domtreppe stand und sich mit einem Mann über das Geschehene unterhielt.
    »Könnte ich dich kurz sprechen?«
    Die Bäckerin nickte argwöhnisch, worauf der Mann mit einem knappen Gruß in Richtung Markt verschwand.
    »Du bist sicher verwundert über mein Anliegen, aber ich hörte dich vor einigen Tagen über den Narbigen Georg reden.«
    »Jo, das mach sein. Hat der Dösbaddel wieder was angestellt?«
    »Nein, nein«, lächelte Anna schnell. »Ich suche nur den einen oder anderen kräftigen Mann, der mir bei einem Transport zur Hand geht, und hörte, dass er wohl gut zupacken kann und noch einige kräftige Leute kennt.«
    »Der?« Die Bäckerin brach in schallendes Gelächter aus. »Da kannst dir ebenso gut ’nen altersschwachen Klappergaul nehmen, der ist genauso faul.«
    »Oh.« Anna machte ein enttäuschtes Gesicht.
    »Na ja«, lenkte die Bäckerin ein. »Der kennt wirklich viele Leute inner Stadt, wenn auch nicht die vornehmsten. Finden kannste den immer am Schlachthof, der wohnt da umzu. Aber lass dich von dem nicht übers Ohr hauen.«
    »Hab Dank, ich werde wachsam sein.«
    Die Bäckerin ging zurück an ihren Stand. Anna wäre am liebsten sofort zum Schlachthof gegangen, doch Heinrich wollte gleich wiederkommen, und so zwang sie sich, auf seine Rückkehr zu warten. Als er endlich aus dem Portal trat, war er in Begleitung von zwei jungen und einem älteren Kleriker. Heinrich deutete auf den Zahnreißer, und der Ältere ließ sich widerwillig von den anderen beiden dorthin führen.
    »Ich glaube zwar nicht, dass die Behandlung wirklich so schmerzfrei ist, wie der Römer behauptet, aber wichtig ist, dass unserem Schneider geholfen wird«, sagte Heinrich, als er sich wieder zu Anna gesellte, und zwinkerte vergnügt. Dann ergriff er wie selbstverständlich erneut ihre Hand, platzierte sie auf seinen Unterarm und führte sie über den Markt zu den angrenzenden kleinen Läden. So lebensfroh hatte sie Heinrich nicht in Erinnerung. Früher war er ein eher stiller junger Mann gewesen.
    »Was habt Ihr hier zu schaffen, Hochwürden?«, wollte Anna endlich wissen.
    »Ich brauche noch etwas Tinte, die bekommen wir gleich da vorne.« Er deutete auf einen kleinen Laden nahe dem Markt. »Aber ich bestelle dich extra den weiten Weg in die Stadt, und dann erledigen wir meine Einkäufe. Ich hoffe, du bist mir nicht böse deswegen.«
    Dieses Treffen kam ihr mehr und mehr seltsam vor. Auch dass jemand in seiner Stellung derartige Dinge selbst erledigen musste, konnte sie nicht so recht glauben. »Natürlich bin ich nicht böse, aber ich wüsste doch gerne, was seine Exzellenz, der Erzbischof, von mir wissen möchte und warum Claas nicht zu diesem Gespräch geladen wurde.«
    »Du musst wissen, meine liebe Anna, dass die Aufhebung einer Ehe nichts Banales ist und seine Exzellenz dem bisher auch nur in äußerst seltenen Fällen zugestimmt hat. Nur weil du mir teuer bist, werde ich in deinem Sinn auf ihn einwirken. Und was deinen Mann angeht – jemand, der dich so behandelt, verdient dich nicht. Aus diesem Grund wollte ich mit dir allein reden. Es reicht, wenn der Tunichtgut zum Termin bei seiner Exzellenz dabei ist. Du wirst sehen, alles wendet sich zum Guten.« Er sah sich kurz um und streichelte ihr dann schnell, aber sanft über die Wange.
    Ehe Anna jedoch eine ärgerliche Antwort geben konnte, kam ihnen ein älterer Herr entgegen, der Heinrich freundlich begrüßte. Er trug blaue Beinlinge, eine schwarze Mütze, die schräg auf seinem Haupt saß, und einen ebenso glänzenden Umhang.
    Er und Heinrich unterhielten

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