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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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schreckten Anna auf, und sie drehte sich um. Sie erkannte die Frau von der Treppe, welche nun mit schnellen Schritten durch das Portal verschwand.
    Anna bekreuzigte sich noch einmal und eilte hinterher. Wer war sie und was sollte diese Anspielung?
    Als sie ins Freie trat, klatschten ihr dicke Schneeflocken entgegen und behinderten ihre Sicht. Es war schwierig, jemanden zwischen den Menschen auszumachen, aber Anna machte sich trotzdem auf die Suche. Sie musste wissen, was das zu bedeuten hatte.
    ***
    Zwei Becher von dem starken Wein ließen das Grollen in seiner Brust nicht wie gehofft verstummen. Auch die Gesellschaft des trunkenen Glöckners, der die Anwesenden mit seinen Geschichten unterhielt, hatte ihn nicht ablenken können. Claas verließ übel gelaunt die Schenke und stieß fast mit der blonden Gudrun aus dem Badehaus zusammen.
    Mit ihrer mürrischen Miene sah sie aus, als wollte sie eine Schimpftirade loslassen, doch dann schien sie ihn zu erkennen, lächelte und machte einen übertriebenen Knicks. »Dir scheint es ebenso zu gehen wie mir. Brauchst du etwas Zerstreuung?«
    »Ich …«
    »Stammel nicht herum. Sei ein höflicher Mann und begleite mich einfach. Alles Weitere findet sich dann.« Sie warf ihm einen vielversprechenden Blick zu.
    Claas’ Gedanken wanderten zu Anna, die sowieso annahm, dass die Bademagd ihm auch in anderen Dingen als nur der Reinigung zur Hand ging. Unentschlossen betrachtete er den Laden, in dem der Priester vorhin mit Anna verschwunden war. Das Badehaus war nicht weit von hier. Warum sollte er nicht mitgehen? Um Anna musste er sich nicht sorgen, sie war ja gut aufgehoben, und sollte er nicht pünktlich zurück sein, konnte sie ruhig ein wenig im Kalten auf ihn warten.
    ***
    Schon eine ganze Weile suchte Anna vergeblich, und sie war kurz davor aufzugeben, da sah sie die blonde Frau die Sögestraße hinuntergehen und um eine Ecke biegen. Anna beeilte sich hinterherzukommen und holte die Frau ein, als diese im Begriff war, in einem Eingang zu verschwinden. Beherzt hielt sie die Frau an der Schulter fest. »Einen Augenblick!«
    Mit einem leisen Aufschrei fuhr die Angesprochene herum und sah sie verstört an. Es war nicht die Frau aus der Kirche.
    »Oh, bitte verzeiht. Ich hielt euch für jemand anderen.«
    »Dann lasst mich los.«
    Anna zog ihre Hand zurück, machte einige Schritte rückwärts, und die Frau verschwand verärgert und kopfschüttelnd im Eingang.
    Erst jetzt bemerkte Anna, wo sie war. Ihre Suche hatte sie in das Viertel der Gerber und Schlachter geführt. Die Gassen wurden von ärmlichen Häusern und Hütten gesäumt, und manche erinnerten mehr an einen Verschlag als an ein wohnliches Heim. Die Straßen waren weitgehend leer, was das Viertel noch unwirtlicher erscheinen ließ als sonst. Anna zögerte. Sie sollte sich nicht allein in dieser Gegend aufhalten, und das Klügste wäre es umzukehren. Doch ihre Neugierde trieb sie weiter in Richtung Schlachthof, wo der Narbige Georg wohnen sollte.
    Je weiter sie in diesen Teil der Stadt vordrang, desto zwielichtiger wurden die Gestalten, die ihr begegneten. Einige starrten sie sogar feindselig an. Anna kam sich wie ein Eindringling vor. Sie kannte diese Gegend zwar, doch war sie bei ihren vorherigen Besuchen immer in Begleitung ihres Vaters oder Theas gewesen, die ihre Einkäufe hier erledigt hatten. Anna hatte die Gassen nicht so finster in Erinnerung, wie sie jetzt auf sie wirkten. Schließlich verließ sie der Mut, und sie machte kehrt. Dabei hätte sie fast eine Gruppe Männer übersehen, die aus der Knochenhauerstraße kamen.
    »Verzeihung«, murmelte sie und machte einen Schlenker um die verdutzte Gruppe.
    »Nicht so eilig, hübsches Kind. Dich hab ich hier ja noch nie nicht gesehen.« Der Mittlere griff ihr an den Arm und streifte mit der freien Hand seine Gugel vom Kopf, während einer seiner Kumpane ihr das Tuch herunterriss und höhnisch lachte.
    Anna sah zu dem Großen in der Mitte auf. Sie erschrak bis ins Mark, als sie erkannte, wen sie da vor sich hatte. Sein Gesicht war von einer tiefen Narbe gezeichnet, die von seinen Augenbrauen seitlich über die Wange verlief. Ihn selbst hatte sie nie zuvor gesehen, aber seine Begleiter waren ihr nicht unbekannt. Sie war sicher, die Männer schon einige Male bei der Lagerhalle von Wegener gesehen zu haben.
    »Ach, bist du nicht das Weib, das mich wegen einer Arbeit sucht?«, fragte der Narbige.
    »Ich … nein, das muss eine Verwechslung sein. Lasst mich bitte gehen«, sagte

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