Rolf Torring 020 - Der Flug nach Norden
schwere Vorwürfe bekommen."
„Ja," gab ich zurück, „und wenn wir entkommen hat er stets Angst, daß wir unser Erlebnis einer anderen Regierung melden Dann wird es wohl mit seinem Herrschen aus sein."
„Still sein, Massers," flüsterte da Pongo
Sofort blieben wir stehen, denn Rolf war auf den Riesen geprallt, der seinen Schritt verhalten hatte. Atemlos lauschten wir in die Finsternis, und endlich hörten wir auch leise, schleichende Schritte, die sich uns näherten
Ob es mehrere Menschen waren, konnten wir nicht unterscheiden, und schon im nächsten Augenblick kam die Entscheidung. Ein dumpfer Schlag, dem ein schwerer Fall folgte, — Pongo hatte ohne Besinnen den Verdächtigen niedergeschlagen. Aber da gellte — einige Schritte vor uns — ein lauter Alarmruf auf. Und sofort antworteten hinter uns verschiedene Stimmen.
Wieder ein Schrei, der aber kurz abbrach. Pongo hatte sich vorgeschnellt und den zweiten Räuber ebenfalls beseitigt.
„Massers, schnell kommen," rief er jetzt.
Wir liefen vorwärts. Die Hände vorgestreckt, um nicht mit dem Gesicht gegen ein Hindernis zu prallen, stürmten wir die dunkle Gasse entlang. Und immer wieder tönten hinter uns die Rufe, mit denen sich die Banditen verständigten.
Schon wollte ich Rolf zurufen, daß wir doch in irgendein Haus flüchten sollten, um uns dort vielleicht bis zum Morgen zu verbergen.
Da stieß Pongo einen leisen Warnungsruf aus, und im nächsten Augenblick prallten wir gegen eine hohe Mauer, die unseren Weg abschloss. Das konnte die Freiheit sein, denn sicher begann hinter ihr die Steppe.
Die mächtigen Felsquadern boten unseren Händen und Füßen gute Stützpunkte, und eilig kletterten wir in die Höhe. Wenigstens fünf Meter war die Mauer hoch, und im stillen wunderte ich mich über diese Verschwendung. Aber sie mochte vielleicht aus uralten Zelten stammen, zum Schutz gegen stürmende Feinde.
Als wir den Mauerrand erreichten, hörten wir die Stimmen unserer Verfolger schon ziemlich nahe. Schnell schwangen wir uns hinüber und kletterten auf der anderen Seite wieder hinab.
Aber als wir endlich festen Boden faßten und nun in die Steppe hineinlaufen wollten, standen wir im Augenblick wie erstarrt. Denn der Mond, der in die enge Gasse nicht eingedrungen war, beleuchtete jetzt bizarre riesige Gebäude vor uns. Wir waren in einer zweiten Stadt, und sofort dachte ich daran; daß es nur die verbotene Tempelstadt sein könnte.
Auch Rolf flüsterte bedenklich:
„Das ist unangenehm. Mir scheint, da sind wir aus dem Regen in die Traufe gekommen. Wenn uns die Priester entdecken, sind wir sicher verloren, denn noch kein Europäer hat die heilige Stadt betreten."
„Sie werden sicher keine Wachen aufgestellt haben", gab ich leise zurück, „wir wollen uns hindurch schleichen. Drüben sind wir frei."
„Ja, das müssen wir schon tun. Ah, unsere Verfolger scheinen über unser Entkommen nicht sehr erbaut zu sein. Sie dürfen sicher auch nicht über die Mauer klettern.
Hinter uns erhob sich mehrstimmiges wütendes Geschrei. Aber als ich schon dachte, daß dieser Lärm vielleicht die Priester zusammenrufen könnte, schwiegen die Stimmen plötzlich, und deutlich hörten wir, daß sich eilige Schritte entfernten
„Vorwärts," rief Rolf im gleichen Augenblick, „sie wollen die Priester alarmieren.'
Eng an den mächtigen Gebäuden liefen wir entlang. Nirgends zeigte sich ein Mensch, es schien, als sei dieser Stadtteil völlig ausgestorben. Doch gerade diese Ruhe und Stille hatte etwas Unheimliches. Es war, als lauerte in jeder Nische, in jeder dunklen Ecke eine Gefahr.
Zu meinem Schrecken bemerkte ich plötzlich, daß die Straßen steil in die Höhe führten. Und wir wollten doch hinaus in die Steppe. Auch Rolf hatte es bemerkt und blieb sofort stehen
„Wenn wir weitergehen," flüsterte er, „kommen wir sicher zum obersten und heiligsten Tempel. Wir müssen uns jetzt seitwärts halten und um den Hügel herumschleichen. Schade, wir hätten von Anfang an dicht an der Mauer entlanglaufen sollen."
„Hier rechts, diese Straße wollen wir nehmen,' riet ich, „auf der einen Seite haben wir Schatten.'
Schnell bogen wir in die ziemlich enge Strasse ein. Plötzlich wurde die unheimliche Stille, die über diesem Stadtteil lagerte, unterbrochen Irgendwo dröhnte ein Horn auf, dessen Ruf vielfach von den Mauern zurückgeworfen wurde.
„Herrgott," rief Rolf, „jetzt alarmiert irgendein Wächter die Priester. Sicher haben ihm die Räuber unser Eindringen
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