Rolf Torring 076 - Der Dämon von Puri
wie ihn nur ein asiatisches Gehirn ersinnen kann, mußte auch den Mut des stärksten Mannes erschüttern. So aber bemerkte der Inder keine Veränderung in unseren Zügen.
Und wieder zischte er wütend:
«Sie werden nicht so mutig sein, wenn sich die Menge der Pilger vor den Wagen spannt, wenn er langsam anruckt und Ihr Körper hinabgleitet, der Erde entgegen, auf der er zermalmt wird. Denken Sie daran in der ganzen Nacht, die Ihnen noch bevorsteht! Wir werden den ersten Schlag gegen die britische Herrschaft führen und den Gouverneur mit seinen Begleitern vernichten. Mag auch die Polizei an der Schlucht aufpassen, dort findet die Entgleisung des Zuges nicht statt. Wenn auch der Ort dafür geeignet ist, wir können uns denken, daß er gerade deshalb scharf bewacht wird. Nein, die Gleise werden einen Kilometer vor der Schlucht nach Westen hin gelockert. Wenn Leuchtraketen anzeigen, daß der Anschlag geglückt ist, werden unsere Anhänger alle Weißen in der Stadt vernichten. Mag auch der ,Dämon von Puri' seine Macht dagegen spielen lassen, wenn erst der Anfang gemacht ist, kann auch er den weiteren Lauf nicht aufhalten."
Für uns war die Unvorsichtigkeit des Inders, der uns erstens verraten, daß ein Attentat und anschließend ein allgemeiner Aufstand stattfinden sollte, zweitens auch noch den Ort angegeben hatte, an dem der Zug zur Entgleisung gebracht werden sollte, von sehr großer Wichtigkeit,
Ferner hatte er uns verraten, daß wir erst am anderen Morgen sterben sollten. Jeden anderen Menschen hätte die Mitteilung vielleicht vor Grauen halb wahnsinnig gemacht, wie es sicher die Absicht des Inders gewesen war, uns konnte er nichts Angenehmeres mitteilen. Jetzt waren wir sicher, daß Pongo uns finden und befreien würde. Dann hatten wir immer noch genügend Zeit, das Attentat auf den Eisenbahnzug zu verhindern.
Beinahe hätte ich mich verraten und spöttisch mein Gesicht verzogen, aber ich besann mich im letzten Augenblick und riß die Augen auf, als wäre ich sehr erschrocken. Wie gut meine List war, zeigte sich sofort.
Der Inder mußte mich scharf beobachtet haben, denn er lachte auf und sagte befriedigt:
„Aha, jetzt ist es wenigstens dem einen Herrn nicht mehr so angenehm zumute. Nun, auch der andere wird das Grauen noch zu spüren bekommen, wenn die Zeit vorrückt und der Morgen näher kommt, der den Tod bringt. Ich werde neben dem Wagen gehen, meine Herren, und mich freuen, wenn ich Ihre letzten Schreie höre."
Der kleine Inder, der seine grausame Natur so zeigte, rief seinen Begleitern einige Worte zu. Sofort entwickelte sich eine eifrige Tätigkeit. Einige Inder schlugen die schweren Teppiche an der Seite des nächsten Wagens hoch, andere brachten lange Seile heran.
Jetzt wurden wir rauh gepackt und auf den Wagen gerissen. Rolf war links von mir, ich sah, wie die Inder ihn hochhoben und oben auf den breiten Kranz eines Rades legten.
Dann wurde ich in die Höhe gehoben und lag im nächsten Augenblick auf dem Rad. Seile schlangen sich um meinen Körper und meine Beine und schnürten mich so fest, daß ich mich nicht bewegen konnte.
Raffiniert und grausam hatten die Fanatiker uns so auf die Räder gebunden, daß unsere Beine nach vorn gekommen waren. Wenn sich der Wagen in Bewegung setzen sollte, wurden unsere Körper von unten herauf zermalmt.
Sekundenlang durchzuckte mich der furchtbare Gedanke, was aus uns werden sollte, wenn Maha unsere Spur nicht finden würde. Wir waren eine Strecke getragen worden, außerdem waren die Inder schon vor der Pagode über unsere Fährte gelaufen und hatten sie sicher zerstört.
Würde nicht Pongo das gleiche Schicksal blühen, wenn die Fanatiker ihn entdeckten? Wenn sie wußten, wie wir den Zaubergürtel von Magava erhalten hatten, wußten sie sicher auch, daß ein Neger unser Begleiter war. Gewaltsam verscheuchte ich den entsetzlichen Gedanken. Pongo ließ sich nicht so leicht überwältigen, er würde die Gefahr sofort erkennen und sich darauf einstellen.
Dann war noch Hanu da, dessen Macht vielleicht größer war, als der kleine Inder ahnte. Er hatte gesagt, daß seine Leute ständig in unserer Nähe sein würden.
Sie hatten vielleicht schon beobachtet, in welcher Lage wir waren. Die Befreiung konnte nicht lange auf sich warten lassen.
Allerdings konnte es geschehen, daß die Fanatiker eine starke Wache bei den Wagen zurückließen; dann konnte es länger
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